Geschöpfe der Nacht
töten.«
Er ließ seinen Kopf wieder sinken.
»Lukas«, sagte Rafe. »Wo ist Ab jetzt? Weißt du es?«
»Nein«, sagte der Wolf. »Aber wir werden ihn finden.«
Rafe wandte sich wieder Gabrielle zu. »Hoffentlich«, sagte er.
»Deshalb sind Sie vom Mond gekommen, nicht wahr?« fragte Gabrielle. »Um Ab zu suchen.«
Er nickte.
»Warum?« fragte sie. »Warum, nach all den Jahren? Sie waren einer der Kosmonauten. Sie hatten nichts mit unseren Problemen zu schaffen, und Sie brauchten sich nicht einzumischen.«
»Ihre Probleme sind die Probleme der Welt«, sagte Rafe. »Und die Schwierigkeiten des Projekts hängen mit ihnen zusammen.«
»Des Projekts? Sie meinen das Projekt, Menschen zu anderen Sternen zu schicken?«
Er nickte. »Das Projekt kommt seit fast drei Jahren nicht vom Fleck. Sein Gelingen hängt davon ab, daß die Kosmonauten an Bord tiefgekühlt und ihre Lebensfunktionen herabgesetzt werden können, was zu verlängerter Lebenserwartung führen würde. Einer würde Dienst tun, während drei im Kältetiefschlaf sein würden – so war es gedacht. Aber es hat sich herausgestellt, daß der menschliche Körper Nervenschäden erleidet, wenn er lange Zeit bei künstlich herabgesetzter Temperatur gehalten wird.«
»Das wußte ich nicht.« Gabrielle beobachtete ihn. Sie jagten durch den Lichttunnel, den der Scheinwerfer in die Dunkelheit schnitt.
»Es ist streng geheim«, sagte Rafe trocken.
»Aber was hat es mit mir zu tun – und mit Ab?«
»Ab hat sich viel mit dem künstlich erzeugten Winterschlaf von Menschen beschäftigt – er versuchte das Problem ohne Drogen und ohne Kälte zu lösen. Ich schlug ihn vor drei Jahren als Mitarbeiter des Projekts vor, aber ein Prüfungsausschuß lehnte ihn ab. Vor drei Tagen kam ich an die Ausschußprotokolle heran. Sie bestätigten meinen Verdacht.«
»Verdacht?«
»Der Ausschuß entschied sich ohne guten Grund gegen Ab. Seine Mitglieder redeten lange herum, was er für das Projekt tun könne, statt wirklich auf seine Forschungsarbeit einzugehen, und dann entschieden sie mit fünf gegen eine Stimme, daß man auf ihn verzichten könne, weil es keine Beweise seiner Nützlichkeit für das Projekt gebe – eine absichtlich vage gehaltene Ablehnung ohne wirkliche Begründung.«
»Ich verstehe immer noch nicht«, sagte Gabrielle.
»Jemand hat diesen Beschluß manipuliert«, sagte Rafe. »Jemand wollte Ab vom Projekt fernhalten. Und der Grund kann nur der sein, daß der Betreffende fürchtete, wir könnten tatsächlich ein Schiff zu den Sternen bringen, wenn Ab zu uns käme. Mit anderen Worten, dieser Jemand wollte das Projekt sabotieren.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Das ergibt keinen Sinn, finde ich«, sagte sie. »Wer hat etwas zu gewinnen, wenn er das Projekt behindert?«
»Martin Pu-Li, vielleicht«, sagte Rafe. »Der Projektleiter. Sobald interstellare Schiffe hinausgingen, würden Forschung und Entwicklung, für die er zuständig ist, nicht mehr die wichtigsten Ressorts sein. Aber natürlich muß er nicht derjenige sein, der dahintersteckt. Wer kann sagen, von wem die Ausschußmitglieder beeinflußt worden sind? Das Projekt hat seine Gegner; jeder weiß das. Aber ich denke nicht sosehr an die offenen Gegner, sondern mehr an jene, die das Projekt hinterrücks erledigen möchten. Männer, die an der Erhaltung des Status quo interessiert sind. Pao Gallot, zum Beispiel. Willet Forebringer.«
»Pao Gallot? Ab hielt ihn immer für einen völlig integren Mann, der in seiner Arbeit aufgeht.«
»Das mag sein«, sagte Rafe. »Solange seine Kraftstationen die Fabriken betreiben, die die Weltbevölkerung mit Mühe und Not vor dem Verhungern bewahren, ist er der wichtigste Mann auf Erden. Eröffnen wir den Verkehr mit anderen Sternen und ihren Planeten, so daß für einige Leute die Hoffnung besteht, der Situation hier zu entkommen, wird seine Bedeutung schwinden.«
»Das ist nicht viel.«
»Nein. Nicht viel«, räumte er ein. »Aber Gallot, Martin und Forebringer sind wie Finger einer Hand. Und Forebringer wird seine gegenwärtige Machtfülle nur behalten, bis das Ernährungsproblem auf irgendeine Weise gelöst wird. Jedem von ihnen würde ich zutrauen, daß er bereit ist, das Projekt zu sabotieren oder Männer wie Ab zu entführen, um seine eigene Position zu halten.«
Er brach ab und fügte nach einer Pause hinzu: »Übrigens haben Sie mir nicht gesagt, wie Ab entführt wurde. Die Umstände könnten vielleicht Licht in die Angelegenheit bringen.«
»Ich weiß
Weitere Kostenlose Bücher