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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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alle diese Dinge. Am anderen Ende des Raums stand ein gewaltiger, thronartiger Sessel auf einer niedrigen Plattform, und dort saß eine übergroße, puppenähnliche Karikatur eines aufgetriebenen menschlichen Körpers; zwischen den gigantisch fetten Schultern dieser Karikatur saß der strahlend lachende kleine Blondkopf eines vielleicht sechs- oder siebenjährigen Jungen.
    »Sie hatten doch einen Hund!« beharrte die Kinderstimme. »Wo ist er hingelaufen? Warum kommt er nicht? Er hat zu tun, was ich sage – genau wie Sie, nicht wahr? Tun Sie einen Schritt vorwärts, sagt Simon.«
    Rafes rechtes Bein schwang vorwärts, obwohl er es nicht wollte, und er trat einen weiteren Schritt in den Raum, Gabrielle im Gleichschritt mit ihm.
    »Sehen Sie? Nun, warum kommt das Hundchen nicht?« Das Jungengesicht verfinsterte sich für einen Moment, aber gleich brach wieder das sonnige Lächeln durch. »Macht nichts. Den kriege ich später. Treten Sie näher, alle beide. Ich freue mich über den Besuch. Kommen Sie bis an den Rand meiner Plattform.«
    Rafe und Gabrielle gingen mechanisch vorwärts und hielten knappe vier Meter vor dem Kindergesicht – und plötzlich erkannte Rafe, daß sie nicht einen kleinen Jungen vor sich hatten, der zwischen den Schultern einer großen, grotesken Puppe hervorspähte, sondern daß der Körper ein lebendiger Organismus war und der Kinderkopf tatsächlich zu ihm gehörte. An der getäfelten Wand hinter dem Kinderkopf war ein großes Kruzifix verkehrt herum befestigt, und daran hing etwas anderes als die übliche Gestalt: ein abgehäutetes, rattenartiges Etwas, jetzt dunkel und vertrocknet, das offensichtlich einmal ein kleines Tier gewesen war …
    Rafes Blick kehrte zu dem grotesken Individuum auf dem Thronsessel zurück.
    »Sehen Sie?« sagte das klare junge Gesicht. »Sie müssen tun, was ich sage. Alle müssen es. Darum lebe ich hier ganz allein, mit nur einem Wächter draußen am Tor. Ich werde jetzt einen anderen suchen müssen. Ihr Hundchen hat ihn so verletzt, daß er starb. Wo ist der Hund?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Rafe. Seine Stimme kam ihm fremd vor, heiser und brüchig.
    »Er muß kommen«, erklärte das Monstrum. »Jeder muß kommen, wenn ich ihn rufe. Ich rief Sie, und Sie mußten zu mir kommen, obwohl Sie dachten, Sie wären entwischt, als ich die dort in den Bergen bestrafen mußte, weil sie Sie nicht sofort zu mir schickten. Nun sind Sie hier, nicht wahr?«
    Rafe antwortete nicht.
    »Seien Sie nicht verdrießlich«, sagte der andere. »Ich habe Verdrießlichkeit nicht gern. Stehen Sie auf einem Bein!«
    Rafe hob unfreiwillig seinen rechten Fuß und verlagerte sein Gewicht auf den linken. Auf seiner unteren Bewußtseinsebene suchte er hektisch nach einem Mittel, der Kontrolle zu entschlüpfen, die ihn zur Marionette machte. Es war wie die Sendung, die er im Gebirgsschlupfwinkel gefühlt hatte, wie die drahtlose Energie der Kraftstationen, aber viel umfassender und wirksamer als beide. Trotzdem, wenn es ihm gelungen war, die anderen zu überwinden, dann müßte es jetzt möglich sein …
    »Ich könnte Sie beide bis zu Ihrem Tode so stehenlassen«, sagte das Kind-Monstrum, und seine klaren blauen Augen fixierten Rafe. »Sie wissen das, nicht wahr? Sagen Sie, daß Sie es wissen.«
    »Ich weiß es«, sagte Rafe unfreiwillig. Sein linkes Bein begann die Anstrengung zu fühlen. Neben ihm gab es einen kleinen Wehlaut, und aus seinen Augenwinkeln sah er Gabrielle fallen. Die Aufmerksamkeit der Kreatur auf dem Thron wandte sich ihr zu.
    »Warum haben Sie das gemacht?« fragte das unschuldige Gesicht des kleinen Jungen. »Ist etwas mit Ihrem Bein nicht in Ordnung, daß Sie nicht darauf stehen können?«
    »Ich war jahrelang ein Krüppel«, antwortete Gabrielles Stimme vom Teppich. »Erst vor ein paar Tagen lernte ich wieder zu gehen.«
    Die Energieausstrahlung hörte plötzlich auf. Sie waren frei von Zwang.
    Rafe setzte seinen rechten Fuß wieder auf den Boden. Gabrielle stand langsam auf. Rafe sah, daß sie Tränen in den Augen hatte. Er schätzte die Entfernung. Wenn er den anderen schnell genug anspringen könnte …
    »Sie brächten es glatt fertig, wie?« sagte der Koloß mit einem vorwurfsvollen Blick seiner Kinderaugen. »Sie würden versuchen, mich zu verletzen. Wissen Sie nicht, daß Sie mich nicht verletzen können? Wissen Sie nicht, wer ich bin?«
    »Nein«, sagte Rafe.
    »O ja, Sie wissen es!« Das Kindergesicht blickte zornig.
    »Ich bin derjenige, den Sie suchten, weil

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