Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
MM -Streifenwagen jagte mit blinkenden Lichtern und plärrender Sirene vorbei. Mein Herz setzte einen Schlag aus.
»Die meinen nicht uns«, bemerkte Chase.
Wir folgten dem Rauch zum Wayland Inn. Aus den verschiedensten Ecken der Stadt waren Leute gekommen und hatten sich auf den Straßen rund um das Gebäude versammelt. Durchreisende und Drogenhändler, Arbeitslose, Plünderer und sogar ein paar neugierige Arbeiter aus dem Westteil der Stadt. Und es kamen immer noch mehr. Wenn es so wenig anderes gab, das Zeit in ihrem Leben hätte beanspruchen können, dann war ein brennendes Motel eine echte Attraktion.
Chase ging durch die Menge der Schaulustigen voran. Als wir ein altes, verrammeltes chinesisches Restaurant umrundet hatten, sahen wir Flammen, die, gleich unter den Fenstern im neunten Stock, dreißig Meter hoch in die Luft schossen.
Sofort bemerkte ich den Gestank – scharf und erstickend. Er brannte in meinen Augen. Die Sirenen der beiden Feuerwehrwagen, die in V-F ormation vor dem Eingang des Motels parkten, heulten auf. Feuerwehrmänner zapften bereits Wasser aus einem nahen Hydranten.
Soldaten trafen ein, marschierten von der Nordseite der Straße herbei. Schwarze, kugelsichere Westen bedeckten ihre blauen Segeltuchuniformen, und ihre Augen lagen im Schatten ihrer Helme. Sie trugen Schusswaffen, Gummiknüppel und lange Kunststoffschilde.
Keine Rettungsmannschaften drangen in das Haus ein.
Ein Mann, der eine Frau über den Schultern trug, stolperte zur Vordertür heraus. Beide waren rußgeschwärzt und husteten. Niemand, den ich kannte, aber sogleich stürzten sich drei Soldaten auf sie, legten ihnen Handschellen an und führten sie ab.
Krachendes Gewehrfeuer lockte Schreie in der Menge hervor. Es hörte sich an wie Feuerwerk; ein Schuss nach dem anderen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und das lag nicht an dem bitteren Rauch. Ich wusste, diese Geräusche kamen aus dem dritten Stock.
»Die Munition hat Feuer gefangen«, erklärte Chase und beugte sich dabei dicht an mein Ohr heran, damit keiner der Umstehenden ihn hören konnte. Vergeblich hielt ich Ausschau nach Sean, doch stattdessen fiel mein Blick auf eine einsame Heilsschwester, die weit vorn in der Menge mit einem Soldaten sprach. Er signalisierte ihr, sie solle zusammen mit den Schaulustigen zurückweichen, und als eine weitere Salve seine Aufmerksamkeit beanspruchte, entschlüpfte sie in das Gedränge und bewegte sich in unsere Richtung.
Voller Furcht, sie könnte uns erkannt haben, wich ich zurück und prallte gegen Chase, und als ich ihm gerade sagen wollte, dass wir uns vom Acker machen sollten, tauchte sie neben mir auf.
»Wo sind die anderen?« Ich blinzelte und konzentrierte mich auf die blauen Augen und das kurze, schwarze Haar, das genauso aussah wie meines.
Cara. Aber ich begriff nicht, warum sie mit einem Soldaten gesprochen hatte.
»Was machst du hier?« Neuerliche Furcht spülte über mich hinweg, als mir Sarah und Tubman in den Sinn kamen. Irgendwas war bei dem Transport schiefgegangen.
»Wo ist Wallace?«, fragte sie mit heiserer Stimme.
»Wo ist Tubman ? Ist er geschnappt worden?«
»Keine Ahnung.«
»Was soll das heißen, du hast keine Ahnung?«
»Ich habe keine Ahnung!«
Ihre kryptische Art zu antworten machte mich wütend. Etwas musste vorgefallen sein, dass sie sich getrennt hatten, aber jetzt war nicht die Zeit, noch weitere Fragen zu stellen.
Ein Mann, den ich nicht erkannte, brüllte aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss. Nur mit Boxershorts und einem schmutzigen T-S hirt bekleidet, versuchte er hinauszuklettern und benutzte dabei die mottenzerfressenen Vorhänge als Kletterseil, obwohl der Stoff am oberen Ende bereits brannte.
»Hey! Da oben ist einer!«, rief jemand.
»Helft ihm!«, bettelte eine Frau. Keiner der Soldaten rührte sich.
Wieder erklangen Schüsse von oben. Mein Herz schlug im gleichen Takt.
Dieses Mal machte die hintere Reihe der Soldaten – die, die dem Gebäude am nächsten standen – kehrt, und die ganze Einheit feuerte auf das Motel. Die Schüsse gingen beinahe unter in dem Donnern des Löschwassers und dem Heulen der Sirenen; die Kugeln verschwanden irgendwo im Rauch. Der Mann, der versucht hatte, durch das Fenster zu flüchten, griff vor Schreck daneben und stürzte einen Meter tiefer, ehe es ihm gelang, die reißenden Vorhänge noch einmal zu greifen.
»Wir müssen hier verschwinden.« Caras Stimme bebte, und sie wich mit blassem Gesicht zurück. »Wir müssen weg aus der
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