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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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seines Geistes, indem er entschlossen auf jene Randregion zusteuerte, wo sich der Gedanke verborgen hielt, dass er Clara zur Opferbank führen sollte, und zwar in der Gewissheit – und so war es auch –, dass sich der Gedanke in Luft aufgelöst hatte und die Randregion leer war, darauf hin ging er nicht weniger entschlossen auf die andere gefürchtete Randregion zu – aber inzwischen fürchtete er sie nicht mehr –, in der sich (wie beim System kommunizierender Röhren, denn solche Systeme steuern nicht nur die Bewegungen der Materie sondern auch den Fluss der geistigen Phänomene) der Gedanke verstärkt hatte, dass er Clara retten musste: Und so reichte er diesem zur Reife gelangten Gedanken die Hand und half ihm, sich aufzuschwingen.
    In diesem Augenblick stieg Clara aus Opera 2 und Axel und Clara gingen aufeinander zu.
    Einige Tage später, am 1. Juni, sollte Axel in sein hellgraues Lederheft über dieses Wiedersehen schreiben, das ihn aufgrund der gerade getroffenen ungeheuerlichen Entscheidung sehr bewegt hatte: »In meiner abgrundtiefen Verzweiflung hatte ich stets geglaubt,dass es im endlichen und unendlichen All nirgends jenes einzigartige Wesen gäbe, das meiner anderen, meiner weiblichen Hälfte entsprach. Doch als ich nun Clara Nomen in ihrem granatroten Kleid wiedersah, das im eng anliegenden (oberen) Teil die betörenden Linien ihrer Schönheit aufs Herrlichste unterstrich und im schwebenden (unteren) Teil (ab dem Bauch) jede kleinste Bewegung mit so anmutiger Hast begleitete, mit ihrem Haar, dessen zahlreiche Blondtöne ihre Schultern so sanft umspielten, und ihrem lebhaften, zärtlichen Blick, der die Freude über unser Wiedersehen versprühte, dachte ich bei mir, dass ich dieses einzigartige Wesen endlich gefunden hatte.«
    Sie schlossen sich in die Arme.
    Clara sagte, sie habe den Eindruck gehabt, nur zwei oder drei Stunden geschlafen zu haben.
    »Sie haben viel länger als zwei oder drei Stunden geschlafen, gedöst und geträumt«, erwiderte Axel mit einem Ernst, der die junge Frau beunruhigte.
    Da klärte er sie über die wahre Situation auf.
    Zunächst erzählte er ihr von seinem Planeten, von dem tödlichen Übel, das ihn befallen hatte, von den verschiedenen Ausprägungen, die dieses Übel im Laufe der Zeit angenommen hatte, von der schrumpfenden Zahl Überlebender, von den maßlosen Todesurteilen (man brauchte nur durch die Straßen zu gehen, um Zeuge einer Hinrichtung durch Implosion und dem völligen Verschwinden des Opfers zu werden), von dem schleichenden Schwund der Lebenslust, der jeden von Geburt an erfasste – dann erzählte er ihr von dem Gegenmittel und gestand ihr, worin das ursprüngliche Ziel seiner Mission bestanden hatte, von dem unbekannten aber mit Sicherheit tödlichen Los, das Clara erwartet, wenn er sie seinen Landsleuten ausgeliefert hätte – von seinem Wunsch, der sich vom ersten »Blick« an im Büro seines Kommandanten in ihm geregt, sich noch gesteigert und nun seine höchste Intensität erlangt hatte, seinem Wunsch, trotz des seit Langem bestehenden und strengen Befehls, der bei allenMissionen sein Handeln diktiert hatte, ihr dieses Schicksal zu ersparen und sie wieder zu sich nach Hause zu bringen – von Nomens hartnäckigem und unbegreiflichem Festhalten an ihr – und schließlich von dem, was er tun wollte, damit sie trotz dieses Hindernisses und mit Hilfe von Alecs Ätherisierungszylinders Nr. 8 fliehen könnten.
    Er ließ nichts aus, er erzählte ihr sogar von seiner Ohnmacht und von den »Erinnerungen an die Zukunft«, die auf ihn eingeströmt waren, als er den Fuß auf Renata gesetzt hatte.
    (Dank seiner Bekenntnisse gelang es uns, also Clara und mir, einen halbwegs wahrscheinlichen Hergang von den letzten Tagen des unglücklichen Axels zu rekonstruieren.)
    Er bat sie fortlaufend um Vergebung, sie der Erde entrissen und zunächst zur Opferbank geführt zu haben.
    Clara verzieh ihm, sie verzieh ihm alles, mit Tränen in den Augen, und sie fühlte sich erleichtert, als würde ihr selbst wer weiß welche Sünde vergeben, eine Sünde, die sie zwar nicht kannte, die aber hartnäckig an ihr haftete und durch deren Hinwegnahme sie endlich wieder dem Leben zugeführt würde.
    Seine Ergriffenheit angesichts der vielen Geständnisse und der Vergebung weckte in Axel die Lust, Clara seinen wahren Namen zu verraten,
Stkouspr
– gewiss, mittels der Zähne, des Gaumens, der Zunge und des Zäpfchens des einen und des feinen Gehörs der anderen, aber die Kommunikation

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