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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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fand auch von Geist zu Geist statt, und so erklangen die Schwingungen dieser seltsamen Phoneme unmittelbar in Claras Hirn, so gänzlich gab Axel sich ihr hin, als er seinen Namen aushauchte, und so gänzlich nahm sie die Gabe an.
    Von der Last seiner Schuld befreit dachte Axel nun über ihre Lage nach und stellte schließlich eine kühne Vermutung an, was das Verhalten des Planeten Nomen betraf. War es nicht Axels ureigener, zunächst noch geheimer Wunsch, den der eigens zu diesem Zweck aus einem dunklen, verborgenen Punkt des Kosmos herbeigeeilte Nomen zum Ausdruck brachte, indem er Clarafesthielt – sein chemischer und elektrischer Auf bau hätte ihm erlaubt, Axels tiefsten Wunsch zu materialisieren –, dann wäre Nomen nichts weiter als Axel selbst, der auf Claras Rettung sann? Schon, aber jetzt, da er sich diesem verdrängten Wunsch nicht mehr widersetzte (ganz im Gegenteil), konnten Clara und er mit Erlaubnis des Planeten ihren Weg vielleicht fortsetzen und damit den Einsatz von Alecs gefährlichem Hilfsmittel vermeiden?
    Mit der linken Hand eine Träne der Rührung fortwischend, die Clara über die Wange lief, drückte Axel mit der rechten zweimal auf die schwarze spiegelnde Oberfläche von Axel 2, um den Befehl zum Abheben von Opera zu geben: nichts, es passierte nichts! Nomen blieb hartnäckig.
    Was musste man daraus schließen? Dass Nomens Struktur keine Veränderung mehr zuließ, dass er auf ewig zu einem »Planeten, der Clara festhält« erstarrt war? Oder dass sein Wunsch, Clara nicht mehr fortzulassen, weiterbestand, obwohl es jetzt darum ging, sie auf ihren Planeten, in ihre Stadt, in ihr Haus zurückkehren zu lassen – aber zu welchem Zweck? Zum Heil oder Unheil dieser jungen Frau? Und auf wessen Geheiß? Auf diese ernsten und besorgniserregenden Fragen hatte Axel keine Antwort. Selbst seinem phänomenalen Geist entzog sich angesichts dieser Situation der Grund für diese Dinge.
    Wie dem auch war, Nomen musste zerstört werden.
    »Seien Sie ganz unbesorgt«, sagte er zu Clara.
    Er ließ sie in Opera zurück, und steuerte Opera 2 hinaus in Richtung Meer.
    Wenn das Unterfangen wie geplant verliefe – aber leider war er sich dessen keineswegs sicher –, würde er die Rückreise nutzen, um Clara auf schonende Weise (darauf würde er seine ganze Kunst verwenden) die Nachricht über Michels Tod beizubringen.

K APITEL 19
DAS EINZELBETT
    CHORUS
Quisnam is est?
OEDIPUS
Sum qui vero non habeatur felix! qui
summa in egestate, o vos qui colitis hanc terram!

Felix Mendelssohn-Bartholdy,
Oedipus
    So sehr dachte ich ans Wasser
Dass ohne ins Meer zu gehen
ich allmählich ertrank

Flamencolied (Anonym)

Ich habe bereits erwähnt, dass mich zu Beginn dieses Kapitels das heikle Unterfangen erwarten würde, zu erklären, was mich eigentlich dazu bewogen hatte, die Bitte der wie ein Wirbelwind in mein Leben fegenden, anziehend-abstoßenden Irène Maggie nicht auszuschlagen: Hier schlägt nun die Stunde unseres Rendez-vous.
    Zunächst glaube ich – jedenfalls stelle ich diese paradoxe Vermutung auf – dass ich nur deswegen auf ihre verzweifelten Avancen eingegangen bin und die Einbettung dieses sechstägigen Zwischenspiels mit Perking (vom Abend des 24. Mai bis zum Mittag des 30. Mai) in meine Geschichte nur zugelassen habe, weil ich diese Person nicht ausstehen konnte. Ich betone: weil ich sie überhaupt nicht ausstehen konnte. Hätte ich für sie auch nur die geringste körperlich-psychische Anziehung amouröser Natur empfunden, so wäre an diesem Tag des Verlusts von Maxime (und von Clara) fraglos jeder Hauch eines Verlangens von meinem Schmerz verdrängt worden, wäre jede andere Form der Hingabe als an diesen Schmerz unvorstellbar, jede Verwirklichung dieses Verlangens unmöglich gewesen. War Irène nicht in einem Panzer aus Egoismus gefangen, der mich ausschloss und in mein Exil sperrte? Umso besser. War sie nicht unfähig zu lieben? Perfekt, ich liebte sie kein bisschen, kein noch so kleines Mü!
    Dennoch rührten mich zuweilen ihr Ausdruck unendlicher Verwirrung, die wellenförmigen Linien, die sie mit ihren langenHänden beschrieb, wenn sie beim Sprechen in Fahrt kam, oder ihre Manie ständig ein »wirklich wahr« in ihre Rede einzuflechten, um die eine oder andere Behauptung zu unterstreichen (»Ich mag nur russische Gurken, wirklich wahr«), oder ihre kleinen vergnügt-flehenden Schreie, die sie zuweilen aus dem Kerker ihrer Einsamkeit rissen – mich rührten die Reize gewisser Regionen ihres Körpers,

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