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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Michel. Von einem Tag auf den anderen veränderte sie ihr Leben, brach alle Beziehungen ab und setzte niemanden über ihren Zustand in Kenntnis.
    Fortan machte sie es sich zur Gewohnheit, ihr herrliches Haar zu einem Dutt zusammenzuknoten, so wie ihre Mutter Éva auf den Fotografien.
    Sie verbrachte viel Zeit zu Hause. Sie traf sich während der gesamten Schwangerschaft mit keinem einzigen Mann. Michel sah, wie glücklich Lucie war, ein Kind zu bekommen, und wie sehr dieses Leben in ihr die Leere füllte, den Mangel an dem, was ihr seit ihrem achten Lebensjahr so unendlich gefehlt hatte. DieGeschwister führten häufig lange Gespräche und entwickelten wieder eine tiefe Vertrautheit.
    Clara und Alexandre waren die Vornamen, die sie für das erwartete Baby ausgesucht hatten. Bei Alexandre hatten sie Zweifel. Aber bei Clara waren sie sich sicher: Würde es ein Mädchen, hieße sie Clara.
    Und Clara wurde am 10. September 1986 in einer Privatklinik in Boulogne geboren.
    Michel war hingerissen von dem Kind. Er hatte nicht gewusst, dass ein Baby von Geburt an so schön sein konnte.
    Michel und Lucie durchlebten mehrere Tage des Glücks an Claras Seite.
    Dann schlug das Schicksal, das die Nomens nicht verschonte, noch einmal erbarmungslos zu.
    Den hartnäckigen Symptomen, über die Lucie klagte, wurde nicht genügend Beachtung geschenkt. Eines Tages begann sie zu frieren, immer mehr zu frieren, darauf folgte ein heftiges Fieber. Schließlich diagnostizierte man eine Blutvergiftung. Doch konnte man den tückisch verborgenen Entzündungsherd nicht genau lokalisieren. Zu spät wurde er entdeckt. Der septische Schock, den Lucie erlitt, rang ihre Lebenskraft nieder.
    Am 20. September fiel sie ins Koma und wurde innerhalb nur einer Stunde vom Tod fortgerafft …

K APITEL 8
DER PROFIKILLER
    Unermüdlich bedeute ich Ihnen,
dass ich Ihnen etwas mitzuteilen habe
.
 (David de Brueys)
    Um es nicht zu lang zu machen,
halte ich mich nicht damit auf, zu erzählen,
wie ich den Dorfplatz ebenso unsicher machte
wie einen Räuberwald
.
Francisco Quevedo,
Der Abenteuerliche Buscón

Am Montag, den 22. Juli ’96, einen Tag nach dem Fest der Heiligen Marina (ich hatte mir den Namenstag nach einem kurzen Blick auf einen meiner beiden Wandkalender, den in der Küche, gemerkt), an diesem Montag also teilte mir Maxime, zehn Tage nach seiner Abreise nach Tunis, am Telefon mit, dass ein junger tunesischer Arzt bei einer ärztlichen Routineuntersuchung ein beginnendes Herzleiden bei ihm entdeckt hatte, das sich im Prinzip nicht von dem unterschied, das meinen Vater und zuvor meinen Großvater dahingerafft hatte. Aber glücklicherweise würde es sich dank der frühen Erkennung und Behandlung mit den Mitteln der modernen Medizin nicht weiter entwickeln und keine Auswirkungen auf seine Gesundheit haben – zumindest nicht unter normalen Lebensbedingungen, hatte der Arzt hinzugefügt. Nun konnte aber das schwerelose Schweben über der Atmosphäre in einer Rakete auf 100.000 Kilometern Höhe keinesfalls als normale Lebensbedingung eingestuft werden. Folglich musste Maxime unter allen Umständen auf seinen für den kommenden 10. September geplanten Abstecher ins Weltall verzichten.
    Natürlich war er enttäuscht, aber weniger als ich befürchtet hatte. Er war nicht der Typ, der über ein geplatztes Projekt jammerte, sondern ersetzte es lieber durch zehn andere. Und um sein Herz machte er sich keine Sorgen. Ich glaube auch, dass er sich im Fall einer schwerwiegenderen Krankheit genauso wenigSorgen gemacht hätte. Mit seinem hohen Wuchs, seiner stattlichen Figur, der kräftigen Nase, dem bohrenden und ironischen Blick über der Hand, die so gut es ging sein Lächeln verbarg, mit dem vollen schwarzen Haar sah er vitaler aus als jeder andere, niemand liebte das Leben mehr als er. Und auch wenn er das Gegenteil behauptete, hatte niemand weniger Angst vor dem Tod als er. Er schien bereit, ihn in jeder Sekunde zu empfangen, vielleicht weil er von seiner sofortigen Reinkarnation überzeugter war, als er es mir gegenüber je eingestanden hatte, mochte er auch den Zweifler spielen – was für ein faszinierender Mensch! ja, das Bedürfnis, ihn zu bejubeln, war stark, ich verehrte Maxime zutiefst.
    Anschließend erzählte er mir von seinem neuen Wohnviertel, Exotik war gar kein Ausdruck, und von seiner neuen Behausung, großer Luxus, er würde mir Fotos schicken.
    »Ich lasse das Gästezimmer mit Blick zum Garten neu tapezieren. Mittlerweile habe ich mich gut

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