Gesetzlos - Roman
seine irrsinnigen Ausgaben erklären. Er verfügte ganz sicher über Einnahmequellen, von denen ich nichts wusste. Führte er ein Doppelleben? So extravagant diese Hypothese auch schien, eine andere Möglichkeit sah ich nicht. War es vorstellbar, dass er nie mit mir darüber gesprochen hätte? Ja. Sicher aber nicht aus mangelndem Vertrauen, sondern aus Scham und vielleicht auch – ich neige heute zu dieser Annahme (»heute!«) – aus Rücksicht auf mich, aus gewissenhafter, höchster Rücksicht – es war besser, wenn ich von alldem nichts wusste.
Bis zu welchem Grad hatte er sich mit diesem Vermögen in dunkle Machenschaften verstrickt? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Maxime einem seiner Menschenbrüder auf die eine oder andere Weise Schaden zufügen würde. Und doch, das viele Geld … Dabei handelt es sich übrigens um ein Geheimnis, das, darauf weise ich den Leser vorsorglich hin, nie gelüftet werden wird.
Gavrilov spielte die ersten Takte des Klavierkonzerts d-Moll.
»Das einzige, was mich am Tod interessiert«, sagte Maxime, während er sich eine Zigarette anzündete und offenbar weiterhin über seinen Fortscheiden nachdachte, »ist die Frage, in wem ich wiedergeboren werde. Wenn ich denn wiedergeboren werde«, fügte er hinzu (als wollte er mit dieser verbalen Einschränkung und der sie begleitenden übertriebenen Geste, beide Handflächen zu den Schultern hebend, meiner Skepsis zuvorkommen). Übrigens, erinnerst du dich an Robin aus der achten? Den kleinen Blonden?«
»Den kleinen Blonden, der ein bisschen verrückt war? Ja. Zumindest vage. Warum?«
»Durch den denkbar größten Zufall habe ich erfahren, dass er sich seit Monaten in einem Sanatorium befindet. Stell dir vor, er hält sich für Spartakus. Wie du dir sicher schon denkst, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, es ist mir gelungen, über seine Familie seine Telefonnummer herauszubekommen. Ich habe angerufen …«
»Ja, und?«
»Nun, ich fand ihn ganz ruhig und entspannt, normal, wenn man so sagen kann, aber er ist nun einmal davon überzeugt, bis zu der Sekunde seines Todes Spartakus gewesen zu sein. Er liefert einem alle möglichen Details, nach denen man ihn fragt. Und er irrt sich nicht. Man könnte meinen, er hätte eine ganze Bibliothek über die römische Geschichte und Zivilisation gelesen.«
»Das hat er sicher getan, oder?«
»Vielleicht. Jedenfalls weiß er auf alles eine Antwort.«
In diesem Moment klingelte das Telefon. Maxime stand auf, um ranzugehen.
Er verließ den Raum. Ich erriet, dass er mit einer Frau sprach, und als er zurückkehrte, erriet ich an seinem Gesichtsausdruck, was sich ereignet hatte: eine Trennung. Einmal mehr, diesmal von Anabel Trieste, seiner letzten, neuesten Freundin, die ihm nach Chişinău nachgereist war, Anabel, in die er doch sehr verliebt zu sein schien. Er verliebte sich häufig, aber seine Beziehungen hielten nicht lange, drei Monate im Schnitt (zwei Jahre die längste, mit Agnès, dem Engel Agnès).
Auf dem Gebiet der Beziehungen zu Frauen wie auch auf vielen anderen, unterschieden wir uns kaum voneinander, unsere Schicksale verliefen parallel. Wir erreichten das dreißigste Lebensjahr als Junggesellen, waren in alle Frauen verliebt, und noch immer überzeugt davon, dass unser weibliches Gegenstück auf dieser Welt nicht zu finden war.
Er begriff, dass ich begriffen hatte.
»Tja ja«, sagte er einfach.
»Ich hatte geglaubt, mit Anabel …«
»Das hatte ich auch geglaubt.«
»Schade, oder?«
»Vielleicht. Ich weiß nicht. Trinken wir ein Fläschchen Champagner zum Nachtisch? Na, komm!«
Er ging hinunter, um eine Flasche Champagner zu holen.
»Ich werde Anabel zurückrufen«, sagte er bei seiner Rückkehr.
»Darf ich mir erlauben, dies zu befürworten?«
»Du darfst, mein lieber Luis. Robin-Spartakus hat mir erzählt, wie er den Prätor Varinius reingelegt hat, den Rom geschickt hatte, um ihn und seine Männer zu vernichten. Die beiden Armeen haben ihre Zeltlager einander gegenüber aufgeschlagen. Die Nacht bricht herein. Robin erzählt, dass er vor dem Zeltlager Leichen an Pfählen befestigt hat: Varinius wird sie für Wachtposten halten … er hat überall Feuer anzünden lassen und den Hornisten befohlen, das übliche Signal ertönen zu lassen. Und dann flieht in der Nacht heimlich die ganze Armee – hunderttausend Mann, sagt Robin stolz. Eine Meisterleistung. Am Morgen befindet der kampfbereite Varinius, die feindlichen Truppen seien recht wenig
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