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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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gewesen.
    Danach stellte sich Routine ein.
    Von da an kostete es mich stets etwas Überwindung, mich an den Schreibtisch zu setzen.
    Und der »mangel an gelt« färbte bald alle vier Horizonte grau. Zwar war ich der Eigentümer meiner Wohnung, aber kostspielig war sie trotzdem, und so war ich häufig gezwungen, an mein Erspartes zu gehen, das auch nicht unerschöpflich war. An die Schule zurückkehren? Ausgeschlossen. Die Lust zu unterrichten war mir völlig abhanden gekommen. (Vielleicht fiel der eigentliche Bruch mit meinem alten Beruf mit Cathys Tod zusammen.)
    Natürlich hatte ich mich auch an meine egoistischere Tätigkeit gewöhnt, die mir eine größere Persönlichkeitsentfaltung erlaubte, die mehr Sein generierte. Wieder zu unterrichten, wäre ein Schritt nach hinten, ein Rückschritt gewesen, und ich wollte vorwärts gehen, der Wunsch entwickelte sich zum Bedürfnis, wie ein Ruf des Lebens, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte.
    Ich dachte viel nach. Was war die Lösung? Etwas kam mir in den Sinn: Ich dachte über die Möglichkeit nach (vor allem leider über die Unmöglichkeit), ein eigenes Tonstudio zu eröffnen, das ich Musikern vermieten würde (ich wusste, dass sich damit viel Geld verdienen ließ). Aber auch, um mich selbst aufzunehmen: eine Platte zu produzieren, und, so meine ehrgeizigen Pläne, sie unter meinem eigenen Label zu vertreiben, eine Platte mit den schönsten, erstaunlichsten und reizvollsten Werken der Renaissance, von mir transkribiert. Eine solche Platte, davon war ich überzeugt, würde die Musikliebhaber in der ganzen Welt interessieren. Wie schon erwähnt, fühlte ich mich 1998 als Interpretnoch nicht auf der Höhe. Acht Jahre später jedoch, nachdem ich mich mehrere hundert Stunden in die Werke eingearbeitet, sie mehrere hundert Male gespielt hatte – und angesichts der veränderten Bedingungen, dass ich mit einem eigenen Studio, in dem ich mich notfalls ein Jahr lang aufnehmen konnte, bis ich das perfekte Ergebnis erzielt hätte, über mehr Zeit verfügte, über so viel Zeit, wie ich wollte – acht Jahre später schon.
    Ich habe von ehrgeizigen Plänen gesprochen: hier nun aber das größte und ambitionierteste Projekt, das wer weiß über welche verborgenen Pfade an mein Bewusstsein gelangt war und die erfolgreiche Umsetzung des anderen Projekts voraussetzte: Meine vertieften Einsichten in die Werke und Kompositionstechniken der Alten Meister hatten in mir den Wunsch geweckt, nun selbst zu komponieren.
    Ich hatte auch ein paar Einfälle. Sorgfältig schrieb ich sie auf, in ein dunkelgrünes Notenheft (ein Geschenk von Maxime), das ich auf meinem Klavier auf bewahrte.
    Dann: eine Platte mit meinen eigenen Werken aufnehmen, sie auf den Markt bringen …
    Muss ich das bereits ausgesprochene Wort nochmals aussprechen, die Hürde benennen, die mich daran hinderte auch nur einen einzigen Schritt auf diese Luftschlösser zu zu machen? Das liebe Geld.
    Erneut: Was tun?
    Maxime um Hilfe bitten. Es gab keine andere Möglichkeit, wenn ich nicht eines schönen Tages in eine ausweglose Situation geraten wollte.
    Um seine Hilfe bitten oder besser noch ihn in das Projekt eines Tonstudios einbeziehen. Ich war mir von vornherein sicher, dass er begeistert zustimmen würde und traurig und verdrossen gewesen wäre, wenn er erfahren hätte, dass ich das ganze Jahr ’08 abwarten sollte, bevor ich ihn tatsächlich um Unterstützung bat – oder besser gesagt, bevor ich die Entscheidung traf, es zu tun, denn unglücklicherweise sollten es ganz anders kommen.
    Ein weiterer Wermutstropfen in den Jahren: Meine Bindungen zu den anderen Erden-Bewohnern wurden für meinen Geschmack zu dünn und schwach. Mochte ich meine Unabhängigkeit und Einsamkeit auch eifersüchtig hüten, letztlich litt ich mehr als gedacht unter der mangelnden Anerkennung durch die Gesellschaft. Wobei ich festhalten möchte, dass ich bis zu Alex Luzbourians Tod nicht unter diesem Mangel gelitten hatte. Meine Bindung zu ihm und somit auch zu Esmeralda und letztlich auch zur Welt war ausgesprochen stark gewesen. Gewiss, mein Kontakt zu Luisa Lum war nach wie vor ausgezeichnet und wurde auf die Dauer sogar herzlich, doch verlor ich allmählich das Gefühl, noch zum Haus zu gehören, Teil eines Hauses, einer Familie zu sein, wie ich es zu Lebzeiten von Luzbourian immer verspürt hatte. Der Eindruck, mich stattdessen im Schwebezustand zu befinden, losgelöst zu sein, alle Taue gekappt zu haben, verstärkte meine berufliche

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