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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Speisen auf dem Rollwagen präsentiert wurden, kam es vor, dass ich nur nach dem Aussehen wählte und nicht enttäuscht wurde, wobei ich wortgenauan den Satz der lächelnden Cathy denken musste, nachdem sie an jenem schon weit zurückliegenden Tag in ihre Erdbeertörtchen gebissen hatte, »genau der Geschmack, den ich mir vorgestellt hatte«.
    Maxime wurde nicht müde, mir beim Vorspielen meiner Transkriptionen fürs Klavier von John Browne, Gesualdo, Tomás Luis de Victoria und so vielen anderen zuzuhören und ermunterte mich dazu, sie aufzunehmen. Mehrere Male war ich drauf und dran, ihm von meinem Studioprojekt zu erzählen, schreckte aber immer davor zurück – ich wusste, der ideale Moment käme erst noch.
    Gern rief er sich den Tag in Erinnerung, an dem ich dreißig, er einunddreißig geworden war und ich ihm (mit nach innen gedrehten Füßen und mich windend) vier Verse eines Gedichts oder Liedes vorgetragen hatte, das zugegebenermaßen auf rätselhafte Weise in meinen Geist gedrungen war und nach dessen Autor ich schon lange nicht mehr suchte. Vielleicht würde ein Zufall mir eines Tages seinen Namen verraten, wie ich insgeheim noch immer hoffte.
    Robin, unser Freund vom Gymnasium, der sich für Spartakus hielt, war verstummt. Er redete gar nicht mehr, wie Maxime von einer für eine Frau viel zu tiefen Stimme, Robins älterer Schwester, am Telefon erfuhr (von ihrer Existenz hatte Maxime bis dahin nichts gewusst).
    Anfang April ’08 erschien meine sechzehnte Sammlung mit Variétémusik, und Anfang Mai meine sechste Sammlung mit Alter Musik.
    Ich ging auf die zweiundvierzig zu, Maxime auf die dreiundvierzig. Wir sollten unseren Geburtstag am 6. Juni bekanntermaßen gemeinsam feiern – aber, ebenfalls bekanntermaßen, entschied das Schicksal anders.
    Manchmal, wenn ich mich in einer wenig glanzvollen Minute des Tages bemühte, einen Anruf mit nicht allzu tonloser Stimme anzunehmen, konnte es passieren, dass ich dieses Bemühenschlecht dosierte und das Pendel ungewollt in die entgegengesetzte Richtung ausschlug: Meine Stimme klang dann fröhlich und verspielt, sodass mein Gesprächspartner annahm, ich wäre in bester Gemütsverfassung. Doch dem war keineswegs so.
    (Aber manchmal ergriff das Leben durchaus auch gewaltsam von mir Besitz und ich fühlte mich ohne erkennbaren Grund glücklich, doch dieses Gefühl war leider nicht von Dauer! Von irgendeiner Sorge getrieben, fragte ich mich sogleich, woher dieses Glück denn rührte, und alles brach in sich zusammen – dem Glück auf den Grund zu gehen ist der erste Schritt ins Unglück, so meine Erfahrung.)
    Mich plagte eine tiefe Qual.
    In den Kinosälen suchte ich verzweifelt ein wenig Zerstreuung.
    Am Freitag den 16. Mai schrieb ich mit schwerer Hand die Telefonnummer von zwei Läden auf, die für das Studioprojekt infrage kamen. Jener, der mir am besten gefiel, war natürlich der teuerste (sechshundertfünfzigtausend Euro). Doch dann, von plötzlichem Elan gepackt, der keinen Aufschub duldete und meine Lähmung endlich besiegte, beschloss ich, ihn zu besichtigen. Als erstes ging ich an der Agentur du Globe, Place Léon-Blum vorbei. Die Leiterin, Madame Duchand, begleitete mich, und so begaben wir uns gemeinsam ins Bastille-Viertel, zum Boulevard Sucatraps Nummer 12. Der Laden war perfekt. Wie gern hätte ich ihn auf der Stelle gekauft! Ja, so sehr, dass ich Madame Duchand um einen Gefallen bat: Da ich vielleicht schon bald in der Lage wäre, die Summe vorzustrecken, möge sie doch so freundlich sein, mir Bescheid zu geben, bevor sie sich im Falle eines konkreten Angebots anderweitig verpflichtete …
    Am Sonntagnachmittag, den 18., aßen Maxime und ich Himbeertörtchen (ich zwei, er nur eins) und probierten ein Waldfrucht-Sprudelwasser ohne Zucker (Maxime hatte angefangen, auf sein Gewicht zu achten. Er war kräftig, stämmig, und seine Figur tendierte dazu, etwas auseinanderzugehen), während wirin der Zeitung nach Filmen suchten, auf die wir Lust hätten. Dabei entdeckten wir, dass in der Neustadt von Vivier-sur-Marne ein Kino eröffnet hatte, nur zwei Tritte aufs Gaspedal von Saint-Maur entfernt. In diesem Kino, dem Ciné-Lumières, würde ab kommenden Mittwoch ein Richard Fleischer-Festival stattfinden, ja, sein Gesamtwerk gezeigt. (Lauthals – mit wahrem Geschrei – beglückwünschten Maxime und ich den Verantwortlichen dieser Initiative, obwohl er uns natürlich nicht hören konnte.) Am Samstag, den 24., kamen
Million Dollars Mystery, The Don is

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