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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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ist
nicht fair, Hugh. Du konntest doch nicht wissen, daß ich eine
Panne haben würde.«
      Marlowe lächelte verbittert. »Erzähl
mir keinen Käse, Mac. Unter den gegenwärtigen Umständen
hätte ich den ganzen Abend im Haus bleiben sollen. Für den
Fall, daß was schiefgeht. Ich hab's nicht getan, und der alte
Herr ist tot. Wie wir es auch drehen und wenden – ich bin
zumindest teilweise dafür verantwortlich.« Er zündete
sich eine Zigarette an. »Ich frage mich, wie das passiert ist
– der Unfall, meine ich.«
      Mac zog den Finger durch eine Teepfütze auf der
Tischplatte, malte Muster. »Das hab' ich mir auch schon
überlegt«, sagte er zögernd. »Du glaubst nicht,
daß jemand an diesem Lastwagen rumgepfuscht hat, oder?«
      Marlowe blickte den Jamaikaner fragend an.
»O'Connor? Nein, das glaube ich nicht. Wann ist der Lastwagen zum
letztenmal überprüft worden?«
      »Gestern morgen«, sagte Mac. »Von mir. Es war alles in Ordnung.«
      »Also«, sagte Marlowe. »Und es war
ständig jemand in der Gegend. Da kann keiner am Lastwagen
rumgepfuscht haben.«
    »Und wie ist es deiner Meinung nach passiert?« fragte Mac.
    Marlowe starrte ins Leere und seufzte
tief. »Papa Magellan war ein kranker, müder, alter Mann, der
ins Bett gehört hat. Wahrscheinlich hat er am Lenkrad die
Besinnung verloren. Vielleicht ist er auch eingeschlafen. Aber egal,
was es war – es hat jedenfalls nur eine Minute gedauert.«
Er stand auf. »Ja, er war ein kranker alter Mann, auf mich
angewiesen. Und in dem Moment, in dem er mich am meisten gebraucht hat,
war ich nicht da.« Er drehte sich um und ging rasch aus dem
Café. Hilfloser Zorn würgte ihn und machte sich in einem
trockenen Schluchzen Luft.
      Es war fast Mittag, als das Bergungsteam das, was von
dem alten Mann noch übrig war, aus dem Lastwagen geholt hatte. Sie
trugen ihn, in eine Plane gehüllt, den Abhang hinauf. Marlowe und
der Jamaikaner beobachteten schweigend, wie er in einen Krankenwagen
gelegt wurde. Als der Chef des Teams nach oben geklettert kam, ging
Marlowe zu ihm und fragte: »Haben Sie irgend etwas gefunden, das
darauf hinweist, warum er von der Straße abgekommen ist?«
      Der Mann schüttelte den Kopf. »Nein,
nichts. Ist auch so gut wie unmöglich in einem solchen
Trümmerhaufen.«
      Marlowe war elend. Er winkte Mac zu sich. »Komm,
wir hauen ab«, sagte er. »Hier riecht's wie im
Leichenhaus.«
      Doch auf dem ganzen Weg nach Litton wurde er den
Gestank von verbranntem Fleisch nicht los. Er blieb auch noch, als er
die Seitenfenster aufkurbelte und ein frischer Wind durchs Fahrerhaus
pfiff. Marlowe sagte sich, daß das alles nur Einbildung sei. Und
nun fuhr er riskant, ging mit überhöhter Geschwindigkeit in
gefährliche Kurven, und seine Hände umklammerten das Lenkrad,
bis die Knöchel weiß hervortraten.
      Mac saß schweigend neben ihm. Als sie
schließlich auf den Hof rollten und vor der Haustür hielten,
sagte er zu Marlowe: »Du brauchst einen Drink, Mann. Komm mit
rein.«
    Marlowe schüttelte den Kopf. »Nein.«
      »Und was ist mit Maria?« fragte der Jamaikaner. »Sie wird dich jetzt brauchen.«
      »Brauchen?« sagte Marlowe. »Warum sollte sie mich brauchen?«
      Mac schüttelte den Kopf. »Mann, bist du denn blind? Sie liebt dich.«
    Marlowe lachte grimmig. »Sie hat mich
geliebt, meinst du. Ich bin der Mann, der für den Tod ihres Vaters
verantwortlich ist, vergiß das nicht.« Er drehte sich um
und ging auf die Scheune zu.
      Am Tor blieb er stehen, um sich eine Zigarette
anzuzünden. Sie schmeckte wie Stroh, und er warf sie fluchend weg.
Er trat in die Scheune, Hände in den Hosentaschen, den Kopf
gesenkt, und dann erstarrte er. Er hatte etwas gesehen.
      Er ging neben der Lache in die Knie und tunkte einen
Finger hinein. Er hob den Finger an die Nase, schnupperte, führte
ihn behutsam an die Lippen. Es war Bremsflüssigkeit.
      Einen Moment lang verharrte er noch in Hockstellung,
wie vom Donner gerührt, unfähig, die Tragweite seiner
Entdeckung zu begreifen, und dann stand er auf mit schwarzen
Mordgedanken, drehte sich um und ging aus der Scheune, auf den
Lastwagen zu.
      Jetzt war alles klar. Völlig klar. Der alte Herr
war nicht am Steuer bewußtlos geworden. Er war durch diese Mauer
gefahren, weil er auf dem Hügel die Herrschaft über den Wagen
verloren hatte. Und er hatte sie verloren, weil jemand am Bremssystem
herumgepfuscht hatte. So einfach war das. Marlowe stieg in den
Lastwagen, setzte

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