Gespenster Kuesst Man Nicht
Ihnen doch irgendwas getan?«
»Nein.« Muckleroy lachte und stand auf. »Nur ins Gesicht gesagt. Mann, Miss Holliday, wie machen Sie das?«
»Das ist eine Gabe«, sagte ich steif und warf Larry einen giftigen Blick zu. Er trat ein paar Schritte zurück und wahrte endlich Abstand.
»Ich hätte Ihnen niemals geglaubt«, sagte Muckleroy. »Aber kein Mensch wusste, dass ich letzte Woche am Grab meiner Mutter war. Nicht mal meiner Frau habe ich es gesagt, und die Blumen habe ich in letzter Minute an der Tankstelle gekauft.«
»Tulpen mag sie lieber«, sagte ich ruhig.
Muckleroy musste so sehr lachen, dass er sich vornüber krümmte. Die beiden anderen grinsten unsicher und wechselten einen fragenden Blick, was da wohl so lustig sei. Schließlich richtete sich Muckleroy wieder auf und erklärte: »Meine Mutter hat Tulpen über alles geliebt. Ihr Vorgarten quoll davon über. Mein Dad hat ihr immer Rosen oder Nelken oder Gerbera geschenkt, und sie hat jedes Mal gesagt, danke, aber Tulpen mag ich lieber. Es wurde zum Familienwitz. Ich hatte das schon ganz vergessen, bis Sie mich gerade daran erinnert haben.«
Ich nickte schulterzuckend. Was sollte ich dazu sagen? Einer der Polizisten nahm sein Walkie-Talkie aus dem Schulterhalfter, bestellte den Rettungswagen ab und versicherte, dem Detective gehe es wieder gut.
Muckleroy strich sich die Haare zurück und klopfte sich die dreckigen Hosen ab. Dann zwinkerte er mir zu. »Okay, Sie haben mich bekehrt. Jetzt erzählen Sie mir mehr über diesen kleinen Jungen dort drüben.«
Eine Stunde später wimmelte das Gelände um die große Eiche von Spurensicherungsleuten und Polizisten. Muckleroy stand neben der Grabstelle und beugte sich zu der Leichenbeschauerin hinunter, die den Fundort mit Pflöcken und Schnur umzäunt hatte und nun sorgfältig kleine Mengen Erde aushob und auf ein Sieb schüttete, das einer der Spurensicherer ihr hinhielt.
Während ich sie beobachtete, hob die Leichenbeschauerin, eine pausbäckige Frau zwischen vierzig und fünfzig mit mattbraunem Haar, etwas Rundes auf und befreite es mit einer kleinen Bürste vom Schmutz. Es war der Schädel. Eine große Trauer überkam mich, weil ein so junger Mensch auf so gemeine Weise umgekommen war.
»Wie geht es?«, fragte da hinter mir eine vertraute Stimme.
»Geht so«, gab ich müde zurück und drehte mich zu Steven um. Gil stand neben ihm, eine braune Papiertüte in der einen Hand und einen Styroporbecher in der anderen. »Ein Club-Sandwich und eine Cola, wie bestellt«, sagte er fröhlich grinsend.
Dankbar nahm ich das Essen und trank erst einmal einen großen Schluck Cola. Dann lächelte ich Gil an. »Aaaah, mit Zitrone. Danke, Kumpel.«
Gil strahlte und legte mir fürsorglich den Arm um die Schultern. »Du siehst ganz schön fertig aus, Putzelchen.«
»Bin ich auch«, gestand ich und zeigte auf die Leichenbeschauerin. »Die sind jetzt schon eine Stunde lang da und haben gerade erst den Schädel gefunden.«
»Vielleicht kann man anhand des Zahnbefunds feststellen, wer der Junge war?«, sagte Gil hoffnungsvoll.
»Vorausgesetzt, der Kleine hatte überhaupt Löcher, und sein Zahnarzt lebt noch«, sagte ich.
»Irgendeine Spur von seinen beiden Freunden?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nee. Und Eric hat sich leider ziemlich zurückgehalten, seit wir angefangen haben, sein Grab auszuheben.«
»Woher kann ein Geist eigentlich wissen, wo sein Grab ist?«, fragte Steven. »Ich dachte, Geister wüssten nicht mal, dass sie tot sind.«
Ich drückte Gil die Cola wieder in die Hand und nahm das Sandwich aus der Tüte. »Viele nicht. Aber meinen Erfahrungen nach akzeptieren Kinder ihren Tod viel leichter.«
Steven legte verwundert die Stirn in Falten. »Warum werden sie dann zu Geistern? Müssten sie denn nicht ins Jenseits gehen, wie du das nennst?«
Ich biss ein großes Stück von dem Sandwich ab und stöhnte genüsslich, weil es verdammt lecker war. »Nicht unbedingt. Sie akzeptieren, dass ihr Körper tot ist, haben aber oft noch keine Vorstellung vom Himmel. Dann klammern sie sich aus Angst, ins Unbekannte weiterzugehen, an diese Ebene.«
Steven dachte einen Moment lag darüber nach. »Wie traurig! Eric sollte sich doch nicht fürchten, in den Himmel zu kommen!«
»Find ich auch«, sagte ich kauend. »Und deshalb sollten wir keine Mühe scheuen, ihm und den beiden anderen zu helfen und Jack auf ewig einzulochen.«
»Ich fürchte, ich war heute nicht sonderlich effektiv«, sagte Gilley. »Ich hab mich durch
Weitere Kostenlose Bücher