Gespenster Kuesst Man Nicht
Mirror-Lake-Wellnessbad.«
»Soll das etwa heißen, ihr beide macht euch einen faulen Lenz, während ich mir den Arsch aufreiße?«, schrie ich wutentbrannt.
»Es war Stevens Idee!«
Ich zählte bis zehn und holte ein paarmal tief Luft, aber die Wut verrauchte nicht. »Weißt du was?«, sagte ich.
»Was?«, fragte Gil kleinlaut.
»Jetzt ist Schluss mit lustig.«
»Steven«, sagte Gil, ein Stück vom Hörer entfernt. »Wir müssen los.«
»Aber ich bin mitten in der Fußpflege«, hörte ich Steven sagen.
»Ihr beide seid so kindisch!«, brüllte ich und legte auf, und vor Wut pfefferte ich das Handy auf den Beifahrersitz.
Eine Minute später klingelte es. Es war Steven. Ich nahm nicht ab. Stattdessen fuhr ich in die McKinley Street zu Lance’s Liquor, parkte ein Stück die Straße hinunter und ging zu Fuß zurück zum Laden, wobei ich versuchte, meinen Frust im Zaum zu halten. Langsam war ich es leid, bei diesem Auftrag die Einzige zu sein, die sich in die Riemen legte, während Gil und Steven ständig nach Möglichkeiten suchten, sich zu drücken.
Es war niemand im Laden bis auf den Mann, der hinter dem Ladentisch auf einer Leiter stand. Etwas ungelenk drehte er sich zu mir um und sagte freundlich: »Guten Tag!«
Mein Herz setzte einen Schlag aus. Der Typ war verdammt hübsch – kräftiges Kinn, schmale Nase, sinnliche Lippen und wunderschöne blaue Augen.
»Hi!«, sagte ich.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
Einen Augenblick lang vergaß ich völlig, warum ich hergekommen war. Ich drehte mich einmal um mich selbst und schaute mich im Laden um. »Äh … Ich brauche Wein.«
»Da haben wir eine große Auswahl«, sagte er und stieg von der Leiter. Er war hochgewachsen, blond und braun gebrannt und trug ein weißes Hemd und hinreißend enge Jeans. »Kommen Sie bitte.« Er ging an mir vorbei in den hinteren Teil des Ladens.
Ich folgte ihm wie betäubt, ungefähr wie ein Hund jemandem mit einem fetten, saftigen Knochen folgen würde. Vor einer breiten Wand voller Regale hielt er an. »Rot oder weiß?«
»Hä?« Manchmal bin ich unglaublich eloquent.
»Was für Wein? Möchten Sie roten oder weißen?«
Ich blinzelte hastig. »Rot.«
»Trocken oder lieblich?«
»So halb und halb.«
Er bückte sich zu einem Fach dicht über dem Boden. »Da hätten wir einen wunderbaren halbtrockenen Shiraz von einem exquisiten Weingut in Australien.«
»Den nehme ich«, sagte ich ohne Umschweife.
Er blickte mich leicht verwirrt an. »Okay«, sagte er dann und nahm die Flasche aus dem Regal. »Wollten Sie nur eine Flasche?«
So langsam lichtete sich der Endorphinnebel, den sein Anblick bei mir ausgelöst hatte. »Ja, eine Flasche reicht. Aber außerdem hätte ich noch ein paar Fragen an Sie.«
»Was für Fragen?«
Ich drückte die Daumen, dass er nicht so reagieren würde wie bisher die anderen Bürger dieser Stadt. »Ich würde gern wissen, was Sie mir über Hatchet Jack sagen können.«
Verblüfft wich er mit dem Oberkörper ein Stück zurück. »Hat ihn schon wieder jemand gesehen?« Und ehe ich antworten konnte, setzte er hinzu: »Ja klar, es ist Juni. Um den Dreh taucht der Bastard immer auf.«
Ich ließ langsam den Atem entweichen, den ich angehalten hatte, und folgte ihm zum Ladentisch, wo er mir die Flasche einwickelte. »Mein Name ist M.J. Holliday«, erklärte ich. »Ihre Tante Amelia hat mir geraten, mit Ihnen zu sprechen. Ich bin von der Familie eines Mädchens engagiert worden, das letzte Woche von ihm gejagt wurde. Ich bin beruflich … so eine Art Spezialistin dafür, solche … wie Jack loszuwerden.«
Lance schenkte mir einen neugierigen Blick. »Sie sind Geisterjägerin?«
Ich lächelte erleichtert, weil er das so selbstverständlich nahm. »Ich habe eine ziemlich gut gehende Praxis in Boston.«
»Ach was.« Er lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme. »Sind Sie Medium oder Technikerin?«
Jetzt war die Verblüffung auf meiner Seite. »Medium. Ich arbeite mit einem Techniker zusammen.«
Lance nickte. »Ich war auch schon auf ein paar Geisterjagden dabei.«
»Sic machen Scherze.«
»Nein, ich meins ernst.« Nachdenklich rieb sich Lance das Kinn. »Mit fünfzehn hatte ich einen Zusammenstoß mit Jack, und der hat mich fast fertiggemacht. Ich hatte noch Jahre später panische Angst. Ich konnte nicht ohne Licht einschlafen, und bei jedem kleinsten Geräusch zuckte ich zusammen. Irgendwann hat meine Mutter mich vor die Wahl gestellt, entweder eine Therapie zu machen oder eine
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