Gespenster Kuesst Man Nicht
lassen, dann sind sie nicht mehr so hart.«
Ich starrte ihn finster an. »Wirklich«, sagte ich mit eisiger Stimme. »Gib – mir – jetzt – die – Tabletten.«
Gilley tippte mit dem Fuß auf, ohne mir die Tablettenflasche zu geben, die er in der Hand hielt. »Was anderes im Magen wäre wirklich besser für dich.«
Meine Mutter war gestorben, als ich zwölf war, und die drei Jahre vor ihrem Tod war sie schwer krank gewesen. Daher hatte ich früh gelernt, allein zurechtzukommen. Und seit ich erwachsen war, stießen Gilleys Versuche, mich zu bemuttern, bei mir oft auf – sagen wir mal – wenig Dankbarkeit. »Gilley, zum Teufel, wenn du mir nicht sofort die verdammten Tabletten gibst, dann –«
»Was?«, knurrte Gilley. »Dann springst du auf und jagst mich um den Tisch? Du kannst doch kaum den Kopf heben, du hast keine Chance gegen mich.« In diesem Moment klopfte es an die Vordertür. Gil zeigte auf meine Müslischale. »Du isst jetzt was, und ich schaue, wer da kommt.«
Ich hoffte schwer, dass er die Tablettenflasche abstellen würde, aber er nahm sie mit. Ich gab einen ungnädigen Laut von mir, zog die Schale heran und stocherte wütend in den Flocken oder Getreidepops oder was für ein Zeug das war.
Draußen im Flur hörte ich Gil die Tür öffnen, dann tönte eine Männerstimme an mein Ohr. Sie kam mir bekannt vor, aber meine Gehirnwindungen waren nicht richtig angeschlossen. Im nächsten Augenblick erübrigte sich das Nachdenken allerdings, denn hinter Gilley kam Detective Muckleroy herein. Kaum fiel sein Blick auf mich, als er scharf die Luft einsog. »Mein Gott, was ist mit Ihnen passiert?«
»Sie hatte einen kleinen Zusammenstoß mit Hatchet Jack«, antwortete Gilley für mich.
»Das war ein Geist?« Muckleroy sprach so laut, dass ich mich innerlich krümmte vor Schmerz.
Da erbarmte sich Gil, entließ die Ibuprofenflasche aus der Geiselhaft und schob mir zwei Tabletten hin.
»Vier«, sagte ich. »Gib mir vier.«
Gilley blickte betont auf meine Müslischale. Es war offensichtlich, dass ich keinen Bissen gegessen hatte, aber zum Glück fing er nicht vor dem Detective an, mit mir zu streiten, sondern legte mir eine einzige weitere Tablette neben meinen Kaffee.
Ich würgte die Tabletten hinunter und spülte mit einem großen Schluck Kaffee nach. Währenddessen erklärte Gil: »Wir waren gestern Abend in der Schule, weil wir Jack herauslocken wollten. Wenn M.J. sein Schlupfloch findet, kann sie ihn dort nämlich einschließen. Während sie wartete, kam der Junge namens Hernando, und M.J. konnte ihn gerade noch erlösen, bevor Jack auftauchte. Jack war wütend, weil M.J. Hernando ins Jenseits geholfen hatte, und hat sie angegriffen.«
»Womit?!«, fragte Muckleroy, ohne den entsetzten Blick von mir zu wenden.
»Mit seinem Beil«, sagte ich schlicht.
Muckleroy stand wie betäubt da. Derweil goss Gilley, ganz der aufmerksame Gastgeber, ihm eine Tasse Kaffee ein und deutete auf einen Stuhl. Muckleroy ließ sich schwer darauffallen und nahm einen Schluck. »Sie wollen sagen, dieser Geist hat ein echtes Beil dabei?«, fragte er, nachdem er die Sprache wiedergefunden hatte.
»Nein.« Ich überlegte, wie ich es ihm erklären sollte. »Geister haben normalerweise keine realen Gegenstände bei sich. Aber sie können die Energie eines Gegenstands so intensiv heraufbeschwören, dass er auflebende Personen real wirkt.«
»Soll heißen?«
Ich rieb mir die Schläfen. Ob durch den Kaffee oder die Tabletten, der Schmerz begann allmählich abzuklingen. »Jack ist so sehr überzeugt, noch am Leben zu sein und wirklich ein Beil zu schwingen, dass er einen Menschen wie durch einen Beilhieb verletzen kann, wenn er sich ganz darauf konzentriert.«
Muckleroy war völlig perplex. »Er hat Sie verletzen können, nur weil er überzeugt war, es zu tun?«
Ich nickte. »Ja.«
»Mein Gott«, sagte Muckleroy. »Das ist übel.«
»Ja. Ich muss sagen, Hatchet Jack ist der gefährlichste Poltergeist, der mir bisher untergekommen ist. Wir müssen ihn dringend unschädlich machen, damit er den Internatsschülern nichts mehr tun kann.«
Auf Muckleroys Gesicht zeichneten sich Sorge und Schrecken ab. »Und wie machen wir das?«
»Also.« Ich sammelte meine Gedanken. »Wir haben einige Möglichkeiten. Bisher weiß ich nur, wohin es Jack zieht, aber nicht, woher er kommt. Und ich hatte noch nicht in Betracht gezogen, dass die meisten bösartigen Geister wie Jack sich ihr Portal in der Nähe des Ortes erschaffen, wo sie
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