Gespielin des Feuers: Roman (German Edition)
und Ryan hatte den Eindruck, sie würde mühsam nach Fassung ringen.
»Schau mir in die Augen«, verlangte Trance.
»Den Teufel werde ich tun.«
»Tu es, Ryan. Wenn dein Gedächtnis wieder funktionieren soll, ist das die beste Methode, und du weißt es.«
Vermutlich traf das zu. Aber es konnte auch ein Trick sein. Andererseits hatte Ryan in diesem Moment wenig zu verlieren. Er wandte sich zu Trance, der seinen Blick sofort festhielt.
In Ryans Gehirn gingen die Alarmglocken los. In ihm schrie alles aus Protest, doch er konnte nicht wegschauen. Er kam nicht dagegen an, obwohl er sich wie vergewaltigt fühlte.
»Erinnere dich«, begann Trance. »Erinnere dich an deine Kindheit.«
Noch in derselben Sekunde füllte sich Ryans Kopf mit mehreren Jahren seines Lebens. O ja, er war ein glückliches Kind gewesen, temperamentvoll, von einer fröhlichen, unerschütterlich optimistischen Mutter umsorgt. Da war kein Vater. Aber das hatte seine Mom, eine Lehrerin, wettgemacht. Niemals hatte er unter dem Gefühl gelitten, irgendwas würde ihm fehlen.
»Gut.« Trance trat noch näher heran, was Ryan nicht verhindern konnte. »Denk jetzt an deine Zeit beim Militär. Erinnere dich an deine Einberufung, die Grundausbildung. An deine erste Mission. Die letzte Mission.«
Neue Erinnerungen durchströmten Ryans Gehirn, so kraftvoll, dass sie gegen seinen Nacken zu hämmern schienen. Dort würde er später den Nachhall eines Peitschenhiebs spüren.
Vage wurde ihm bewusst, dass ihm die Pistole und die Fernbedienung für Ulrikas Halsband weggenommen wurden. Dagegen konnte er sich nicht wehren, obwohl er es wollte. Stattdessen starrte er einfach nur in Trances Augen und hörte, wie Coco den Mann anflehte, den Bann zu brechen. Als die Bitte erfolglos blieb, ging sie zu Drohungen über. Lauthals fluchte die kleine Knallrakete und kündigte doch tatsächlich an, sie würde ihren Laptop auf seinen Kopf knallen. Als er mit der Sig auf sie zielte und ihr befahl, sich an die Mauer zu ketten, beschimpfte sie ihn immer noch.
Aber dann hörte Ryan Ketten klirren und wusste, sie hatte gehorcht.
»Okay, Ryan. Denk jetzt an ACRO. Wie du dorthin gekommen bist. Erinnerst du dich daran?«
Ryan nickte, denn – ja, es fiel ihm tatsächlich wieder ein. Beim Militär hatte ihn jemand erpresst und in was Schlimmes verwickelt. Waffenhandel. Die Air Force entließ ihn, weil er sich unentschuldigt von der Truppe entfernt hatte, und danach arbeitete er für die bösen Jungs – hauptsächlich, um zu überleben. Entweder würde er als Verbrecher ein freier Mann bleiben oder den Rest seiner Tage in einem Militärgefängnis verbringen.
Als er den Profit aus einem der Waffengeschäfte an seine Bosse überweisen wollte, stoppte Coco den Geldtransfer, und er musste vor verschiedenen Leuten fliehen. Beinahe erwischten ihn die Schurken. Aber ACRO hatte ihn der Bande vor der Nase weggeschnappt, sein Leben gerettet und ihm ein neues geschenkt.
Wie lange er dastand und die Ereignisse seines Lebens an sich vorbeiziehen ließ, wusste er nicht. Schließlich fühlte er sich fast wieder wie ein ganzer Mensch. Nur fast, denn es gab immer noch Lücken in seinem Gedächtnis.
»Nun musst du niederknien, Ryan.«
Wie ein gut trainierter Hund gehorchte er.
»Gut. Ich werde dich jetzt aus dem Bann entlassen. Wenn ich das tue, bleibst du, wo du bist. Einfach so. Und du lässt dich fesseln. Verstanden?«
»Ja.« Scheiße, hatte er das wirklich gesagt?
Trance wandte sich ab, und Ryan seufzte erleichtert. Gleichzeitig spürte er den plötzlichen Drang, sich dem Befehl des anderen Agenten zu widersetzen. Klar, er hatte sein Gedächtnis teilweise zurückgewonnen, und er wusste, dass Trance sein Freund war. Trotzdem würde er sich nicht gefesselt zu ACRO zurückbringen lassen. Wie ein Truthahn für Thanksgiving.
Oder wie Ulrika.
Entschlossen stürzte er sich auf Trance. Zu spät erinnerte er sich an das Excedo-Talent des Kerls. Mit einem vehementen Fausthieb traf er ihn in den Rücken, beide flogen gegen eine Wand.
»Elender Hurensohn …« Trance verstummte, als Ryans Faust seinen Magen rammte.
Einen Augenblick lang glaubte Ryan, er hätte tatsächlich eine Chance – besonders, weil Trance sich stöhnend zusammenkrümmte. Doch der Triumph war von kurzer Dauer. Ehe er versuchen konnte, seinen Gegner wieder an die Wand zu drücken, schnellten die Beine des Mannes hoch und prallten gegen seine Brust, pressten die ganze Luft aus seinen Lungen.
Halb benommen lag er am Boden,
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