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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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sie erst einmal weiß, wo ihr Platz ist, wird sie schnurren wie ein Kätzchen und alles tun, was wir verlangen.«
    »Sicher hast du recht, Großvater«, antwortete Nathan.

 
    Vom Schlechten kann man nie zu wenig
     und das Gute nie zu oft lesen.
     
    Arthur Schopenhauer

7. Kapitel
     
    Lucy schleppte sich zu ihrem Bett und verharrte dort eine Ewigkeit in zusammengekrümmter Stellung. Sie wartete, dass die Angst von ihr abfiel. Die Angst und die Trauer. Nach all den Jahren wusste sie endgültig, dass sie ihre Eltern verloren hatte.
    Irgendwann wurde die Tür aufgeschlossen und etwas auf ihren Tisch gestellt. Lucy hob nicht einmal den Kopf. Als sie aufstand, um zur Toilette zu gehen, sah sie, dass man ihr Sandwiches gebracht hatte. Gierig schlang sie sie hinunter. Sie konnte nicht ewig hungern. Ihr war bereits ganz schwindelig, was allerdings eher an Batistes Worten lag als an ihrem leeren Magen. Sie brauchte Kraft, um das durchzustehen.
    Weshalb kam niemand und holte sie hier raus? Ob Colin bei der Polizei gewesen war? Ob sie ihm glaubten, dass Batiste de Tremaine sie entführt hatte? Zuerst suchten sie sicher in dem Londoner Stadthaus nach ihr. Erst dann würden sie die Polizei vor Ort um Hilfe bitten. Wie lange dauerte so etwas? Ein oder zwei Tage? Lucy grauste davor, solange in diesem Haus eingesperrt zu sein.
    Darüber durfte sie nicht nachdenken. Auch die Gedanken an ihre Eltern musste sie verdrängen. Trauern konnte sie später lang genug. Wenn sie überlebte. Jetzt war es wichtig, dass sie versuchte sich zu retten. Sich und die Bücher. » Suche das Vermächtnis der Hüterinnen «, hatten die Bücher im Archiv sie aufgefordert. Dort würde sie Antworten auf ihre Fragen finden. Was sollte das sein? Es klang nach einem Buchtitel. Allerdings konnte es auch ein Schmuckstück sein, vielleicht ihr Medaillon. Es hatte ihr bereits viele Antworten gegeben und jedes Mal neue Rätsel, dachte sie verzweifelt. Sie musste Nathan fragen, ob er es ihr fortgenommen hatte. Es bestand die Möglichkeit, dass er ausnahmsweise einmal die Wahrheit sagte. Auch wenn er es ihr nicht zurückgab, wusste sie wenigstens, wo es war. Lucy stand auf und ging zum Fenster. Sie sah Nathan im Garten stehen. Er unterhielt sich mit der älteren Frau, die sie bedient hatte. Wer war sie? In jedem Fall besprachen die beiden nichts Lustiges. Nathans Gesicht sah ernst aus. Jetzt sah er zu ihrem Fenster herauf. Sie fuhr zurück und versteckte sich hinter der Gardine. Einen Moment später lugte sie wieder hervor. Die beiden waren verschwunden. Lucy seufzte und ging zum Bett.
     
    Die Schatten in dem Zimmer wurden länger und länger. Lucy wartete, dass etwas geschah. Sie glaubte nicht, dass Nathan oder Batiste sie in Ruhe ließen. Sie heckten etwas aus und würden sich an ihrer Angst weiden. War sie mutig genug, ihnen in die Augen zu blicken, wenn sie sie quälten? Sie wollte nicht sterben. Dazu war sie viel zu jung. Sie wollte noch soviel erleben, soviel sehen. Sie war noch nicht einmal richtig verliebt gewesen. Nathan zählte wohl nicht. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie an ihn dachte. Dieses Scheusal Batiste würde vor nichts zurückschrecken, das war ihr spätestens deutlich geworden, als sie vorhin in seine Augen geblickt hatte. Vielleicht sollte sie tun, was sie von ihr verlangten? Nur eine Weile, nur bis sie herausgefunden hatte, wie sie den Büchern helfen konnte. Dann würde sie wenigstens am Leben bleiben. Lucy schlug die Hände vors Gesicht. Wie konnte sie nur daran denken. Niemals konnte sie einem Buch so etwas Grässliches antun. Nur ein oder zwei Bücher flüsterte eine leise Stimme ihr zu, nur um dich zu retten. Tot nützt du den Büchern nichts. Sie würden es verstehen. »Nein, das würden sie nicht«, sagte Lucy laut in die Stille. Sie würden mich hassen und ich hätte sie für immer verloren.«
    »Aber du musst auch an dich denken«, widersprach die Stimme. »Die Männer kennen kein Mitleid. Bist du sicher, dass du aushältst, was sie dir antun werden? Es könnte schlimmer sein, als der Tod.«
    In den Schatten des Zimmers begann sich etwas zu regen. Lucy glaubte zu halluzinieren. Soweit war es schon mit ihr? Hatten sie ihr mit der Suppe eine Droge verabreicht? Begann es schon? Wollten sie sie zu ihrem willenlosen Werkzeug machen? Lucy kroch an das Kopfende des Bettes. Etwas Helles kroch auf sie zu. Jetzt sah sie es deutlicher. Es näherte sich von allen Seiten, doch es war seltsam konturlos. Eine Erinnerung schlich sich in ihren

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