Geständnis
Fall Drumm war die Krönung von Kerbers Karriere,
und er hatte fest vor, seinen Triumph zu genießen.
Auch Paul Koffee stand im Mittelpunkt des Interesses. Er
wollte in ein paar Jahren in Pension gehen, und der Fall Drumm war
etwas, womit er sich selbst in hohem Alter noch brüsten konnte.
Koffee und seine Jungs hatten wie die Löwen gegen die engagierte
Verteidigung durch Robbie Flak und dessen Team gekämpft - für Recht
und Gesetz und für Nicole. Dass man Drumm auch ohne Leiche zum Tod
verurteilt hatte, empfand er als weiteres Ruhmesblatt.
Der Alkohol löste die Anspannung. Sie brüllten vor Lachen, als
jemand erzählte, wie ihr Gouverneur den schwarzen Mob
niedergebrüllt und Drumm ein Monster genannt habe. Die ausgelassene
Stimmung legte sich etwas, als Koffee von dem Antrag sprach, der
vor nicht einmal zwei Stunden eingereicht worden sei und in dem
irgendein Spinner behaupte, der wahre Mörder zu sein. Aber sie
brauchten keine Angst zu haben, versicherte er ihnen, das Gericht
habe einen Aufschub der Hinrichtung bereits abgelehnt. Es sei nur
noch ein weiterer Antrag am Supreme Court anhängig, der erstunken
und erlogen sei - „Mein Gott, diese Anträge sind doch alle
erstunken und erlogen“ -, aber auch der habe keine Aussicht auf
Erfolg.
Sie tauschten Geschichten aus über die niedergebrannten
Kirchen, das Feuer in der alten Entkörnungsanlage, den wachsenden
Mob im Civitan Park und das Anrücken der Kavallerie. Die
Nationalgarde wurde für achtzehn Uhr erwartet, und man erging sich
in kontroversen Diskussionen darüber, ob sie gebraucht wurde oder
nicht.
Koffee hatte Hühnerfleisch auf den Grill gelegt, Bruststücke
und Keulen, die mit einer zähen Soße bestrichen waren und langsam
zu dampfen begannen. Wenn wir noch den elektrischen Stuhl hätten,
verkündete er, würde Drumm um achtzehn Uhr genauso aussehen.
Schallendes Gelächter drang über den Fluss.
Außer dem Gefängnis befindet sich in Huntsville auch die Sam
Houston State University. Die Universität hat sechzehntausend
Studenten - davon sind einundachtzig Prozent Weiße, zwölf Prozent
Schwarze und sechs Prozent Latinos; ein Prozent hat eine andere
Hautfarbe.
Am späten Donnerstagnachmittag zog es viele der schwarzen
Studenten zum Gefängnis, das etwa acht Häuserblocks von der
Universität entfernt im Stadtzentrum von Huntsville liegt. Es war
ihnen nicht gelungen, mit Operation Detour die Straßen zu
blockieren, doch das hielt sie nicht davon ab, alles zu versuchen,
um Scherereien zu machen. Die Straßen in unmittelbarer Nähe zum
Gefängnis waren von der Polizei gesperrt worden. Man ging davon
aus, dass es Ärger geben würde, und die Sicherheitsmaßnahmen rund
um Walls Unit waren verstärkt worden.
Die schwarzen Studenten versammelten sich drei Häuserblocks
vom Gefängnis entfernt und fingen an, Lärm zu machen. Als Robbie
ins Freie ging, um ein paar Telefonate zu führen, hörte er, wie in
einiger Entfernung tausend Stimmen „Donte! Donte!“ skandierten. Er
konnte nur die Außenmauern des Gebäudes und den hohen
Maschendrahtzaun sehen, doch er wusste, dass die Demonstranten ganz
in der Nähe waren.
Was spielte das noch für eine Rolle? Es war zu spät für
Proteste und Demonstrationen. Er hörte noch einen Moment zu und
rief dann in der Kanzlei an. Sammie Thomas nahm das Gespräch an und
platzte sofort mit den Neuigkeiten heraus: „Das Gericht wollte den
Gamble-Antrag nicht annehmen. Sie haben um siebzehn Uhr die Tür
geschlossen, und wir waren sieben Minuten zu spät. Dabei haben sie
gewusst, dass wir kommen!“
Um ein Haar hätte er sein Telefon gegen die nächste
Ziegelmauer geschleudert und zugesehen, wie es in tausend Stücke
zersprang. Doch er war wie betäubt und unfähig, sich zu bewegen.
Sammie sprach weiter: „Die Defender Group hat ein paar Minuten vor
fünf in der Geschäftsstelle angerufen. Sie saßen in einem Auto und
sind zum Gericht gerast, um den Antrag einzureichen. Der Büroleiter
sagte, Pech gehabt, er habe mit Richter Prudlowe gesprochen, die
Geschäftsstelle müsse pünktlich um fünf schließen. Sind Sie noch
dran, Robbie?“
„ Ja. Reden Sie weiter.“
„ Jetzt bleibt uns nur noch der cert-Antrag am Supreme Court.
Bis jetzt gibt es nichts Neues dazu.“
Robbie lehnte sich gegen den Maschendrahtzaun und versuchte,
sich zu beruhigen. Ein Wutanfall würde sie jetzt nicht
weiterbringen. Es nützte nichts, wenn er mit Gegenständen um sich
warf oder zu fluchen begann. Morgen konnte er ein paar
Weitere Kostenlose Bücher