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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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Grab. Der halbe Artikel
handelte von Keith und Boyette und ihrer verzweifelten Fahrt nach
Texas, um die Hinrichtung aufzuhalten. Ein kleineres Foto zeigte
Boyette, wie er am vergangenen Dienstag zur Presse sprach. In der
zweiten Hälfte des Berichts wechselte die Perspektive: Nun ging es
um die potenziellen rechtlichen Folgen für Keith. Konnte der
Pfarrer strafrechtlich verfolgt werden, weil er einem Verbrecher
wissentlich bei einer Flucht geholfen hatte, mit der dieser gegen
seine Bewährungsauflagen verstieß? Um diese Frage zu klären,
konsultierte Ms. Keene verschiedene Experten.
    Ein Juraprofessor wurde folgendermaßen zitiert: „Das war sehr
anständig, aber eindeutig rechtswidrig. Jetzt, wo Boyette auf
freiem Fuß ist, kann ich dem Reverend nur raten, einen Anwalt
hinzuzuziehen.“
    Danke, du Großmaul, sagte sich Reith
im Stillen. Das mit der Rechtswidrigkeit
ist überhaupt nicht klar, meint mein Anwalt. Recherchier lieber
anständig, bevor du mit der Presse redest.
    Ein Strafverteidiger in Houston sah die Sache anders.
„Vielleicht liegt ein Rechtsbruch vor, aber in Anbetracht des
Gesamtzusammenhangs halte ich den Mann für einen Helden. Den würde
ich gern vor einem Geschworenengericht verteidigen.“
    Geschworene? Elmo Laird hoffte auf eine schnelle, diskrete
kleine Absprache, bei der Reith sich schuldig bekannte und dafür
mit einer symbolischen Strafe davonkam. Zumindest hatte Reith das
so im Kopf.
    Um alle Aspekte abzudecken, sprach Ms. Reene mit einem
früheren texanischen Staatsanwalt. „Verbrechen ist Verbrechen“,
sagte dieser laut Zitat, „unabhängig von den Umständen. Da würde
ich keine Milde zeigen. Die Tatsache, dass es sich um einen
Geistlichen handelt, ist irrelevant.“
    Der fünfte Artikel war eine Fortsetzung der intensiven
Untersuchung der Ereignisse im Büro des Gouverneurs in den letzten
Stunden vor der Hinrichtung. Bisher war es den Journalisten nicht
gelungen, irgendwen im Büro des Gouverneurs zu finden, der zugeben
wollte, das Video mit Boyettes Geständnis gesehen zu haben. Die
E-Mail war um 15.11 Uhr in Flaks Kanzlei abgeschickt worden, und
Robbie hatte seine Serverprotokolle zur Verfügung gestellt. Das
Büro des Gouverneurs tat nichts dergleichen. Von dort hörte man gar
nichts. Seine engsten Berater und Dutzende anderer, die ihm weniger
nahestanden, schlossen die Ränge und sagten kein Wort. Das würde
sich vermutlich ändern. Wenn die Ermittlungen anliefen und die
ersten Zeugenladungen versandt wurden, würde einer dem anderen die
Schuld in die Schuhe schieben.
    Um 6.02 Uhr klingelte das Telefon. Die Anruferkennung zeigte
„Unbekannt“ an. Keith nahm ab, bevor Dana und die Jungen
aufwachten. Ein Mann mit starkem, vermutlich französischem Akzent
sagte, er wolle Reverend Keith Schroeder sprechen.
    „ Und wer sind Sie?“
    „ Mein Name ist Antoine Didier, ich bin von Le Monde, einer
Pariser Zeitung. Ich würde mich gern mit Ihnen über die
Drumm-Affäre unterhalten.“
    „ Tut mir leid, kein Kommentar.“ Keith legte auf und wartete, ob
es erneut klingeln würde. Das tat es, er nahm ab und legte nach
einem brüsken „Kein Kommentar“ wieder auf. Im ganzen Haus gab es
vier Apparate, er hastete von einem zum anderen und schaltete den
Klingelton aus.
    Im Schlafzimmer wurde Dana langsam wach. „Wer war das?“,
fragte sie und rieb sich die Augen.
    „ Die Franzosen.“
    „ Wie bitte?“
    „ Steh auf. Das kann ein langer Tag werden.“
     
    Lazarus Flint war der erste schwarze Park Ranger in East
Texas. Seit über dreißig Jahren sorgte er dafür, dass Rush Point am
Red River in Ordnung gehalten wurde, und seit neun Jahren kümmerten
er und seine beiden Mitarbeiter sich geduldig um den geheiligten
Boden, zu dem Familie und Freunde von Nicole Yarber pilgerten, um
ihre Mahnwachen abzuhalten. Jahrelang hatte er ihnen dabei
zugesehen. Hin und wieder tauchten sie auf und ließen sich in der
Nähe des improvisierten Kreuzes nieder. Dort saßen sie dann,
weinten und zündeten Kerzen an, wobei sie unverwandt auf den Fluss
in der Ferne hinausblickten, als hätte dieser Nicole davongetragen.
Einmal im Jahr, am Jahrestag ihres Verschwindens, unternahm ihre
Mutter ihre alljährliche Wallfahrt nach Rush Point, immer von
Kameras umgeben, immer klagend und jammernd. Dann wurden noch mehr
Kerzen angezündet, Blumen am Kreuz niedergelegt, Andenken,
primitive Bastelarbeiten und Tafeln mit Botschaften angeschleppt.
Die Prozession dauerte bis zum Einbruch der Dunkelheit und

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