Gestern, heute - jetzt
beruhigen, doch es war ihr nicht gelungen. Erst Lucs Ankunft am Vortag schien ihr inneres Gleichgewicht zurückzubringen – abgesehen von dem normalen Magenflattern einer aufgeregten Braut. Damit konnte Simone umgehen. Was ihr ganz und gar nicht gefiel, war das Wissen, dass etwas nicht stimmte, ohne zu ahnen, worum es sich handelte, und ohne in der Lage zu sein, etwas dagegen zu unternehmen.
Das hasste sie.
Beinahe genauso sehr wie die Tatsache, dass Rafael ihr in den vergangenen Tagen erneut aus dem Weg gegangen war und sie deshalb genauso angespannt war wie Gabrielle.
Wusste Rafe denn nicht, dass ein gemeinsames Dinner zu viert – Luc, Gaby, Rafe und sie – viel mehr zu einem reibungslosen Ablauf der Hochzeit beigetragen hätte als seine Idee, Luc am Vorabend mit auf eine Gutstour zu nehmen und Gabrielle und sie sich selbst zu überlassen? Zumindest hatten Luc und Gabrielle den Großteil des vergangenen Tages gemeinsam verbracht.
Simone dagegen war allein gewesen – allein mit ihren zunehmend gefährlicheren Gedanken.
Doch ganz egal, in welcher Laune sich Rafael heute befand, oder wie ihr eigenes Stimmungsbarometer aussah, sie würde es schaffen. Für den Bruder, den sie liebte. Für Gabrielle, mit der sie so viele Kindheitsträume verband. Und auch für sich selbst, denn sie würde es sich niemals verzeihen, ihren Pflichten als Brautjungfer nicht nachgekommen zu sein.
Ja, sie würde sich zusammenreißen und den Tag überstehen. Sie war sowohl ihren Verpflichtungen gegenüber dem Haus Duvalier als auch dem Haus Alexander gewachsen. Ein Tag. Es würde sie nicht umbringen, sich so lange im Griff zu haben.
Danach würde sie in den Krieg ziehen.
„Dein Bruder tigert schon seit sechs Uhr heute Morgen in meiner Küche herum“, verriet Rafael, als Simone ihn auf Gabrielles Drängen hin anrief, die unbedingt wissen wollte, wie es Luc ging. „Ich habe einen Berg Schinken und ein Dutzend Eier gebraten, aber er hat kaum eine Scheibe trockenen Toast hinunterbekommen.“
„Zeig ihm dein Weingut“, schlug Simone vor.
„Hab ich schon getan.“
„Ich habe dich in den vergangenen Tagen gar nicht gesehen“, bemerkte sie als Nächstes. Aus der Distanz war es einfach, mutig zu sein. „Inigo hat sogar schon gefragt, ob du mir absichtlich aus dem Weg gehst – du weißt ja, wie die Leute reden. Er scheint zu glauben, dass du Angst vor mir hast. Oder so etwas in der Art. Und das wäre doch wirklich eine Schande in Anbetracht der Tatsache, dass wir eine große glückliche Familie werden.“
Gabrielle schnaubte. Gabrielle grinste. Gabrielle schüttelte den Kopf.
„Ich habe keine Angst vor dir, Simone“, entgegnete Rafe knapp. „Und ich gehe dir auch nicht aus dem Weg. Außerdem dachte ich, wir hätten für heute einen Waffenstillstand vereinbart.“
„Oh, das haben wir“, erwiderte sie ernst. „Hat er schon begonnen?“
„Heute ist doch heute, oder?“
„Heißt das, dass unser Waffenstillstand um Mitternacht endet?“
Erst Schweigen, dann ein knappes: „Nein.“
„Das dachte ich mir. Warum machen wir daraus keinen
Vierundzwanzig-Stunden-Waffenstillstand, der genau jetzt beginnt?“
„Okay.“ Wenn das Telefon sie hätte beißen können, hätte es das getan.
„Wunderbar. Also, was stellen wir mit meinem Bruder an?“
„Er macht mich beinahe genauso verrückt wie du.“
„Geh mit ihm zum Golf.“
„Spielt er denn Golf?“
„Er kann es lernen.“
„Golf ist ein psychologisch anspruchsvolles Spiel. Ich finde nicht, dass er das an seinem Hochzeitstag lernen sollte. Es würde ihn bestimmt nicht ruhiger machen.“
„Dann spielt Poker. Und gib ihm mal das Telefon.“
„Später.“ Man hätte fast meinen können, Rafe wollte sich wirklich mit ihr unterhalten. „Wie geht es meiner Schwester heute Morgen?“
„Sie strahlt nur so und ist die personifizierte Gelassenheit.“
„Natürlich ist sie das. Jetzt sag mir die Wahrheit.“
„Lass es mich so formulieren: Wenn ich heirate, dann werde ich mich daran erinnern, es gleich bei Tagesanbruch zu tun.“
„Ihr könntet heute Nachmittag zum Kaffee rüberkommen.“
„Nein. Deine Schwester und ich werden um sechs heute Abend am Pavillon sein. Gabrielle ist die Frau in dem langen weißen Kleid.“ Simone verdrehte die Augen, als Gabrielle laut lachte. „Ich bin die, die in einem cognacfarbenen Kleid hinter ihr hergeht, und ich verspreche dir, wir beide werden es wert sein, dass man auf uns wartet.“
„Ich hasse warten“, versetzte
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