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Gestern, heute - jetzt

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Titel: Gestern, heute - jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Hunter
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pumpen. Er wusste wirklich nicht, wie viel er noch verkraften konnte.
    „Wie fühlt sich das an, Rafael?“, fragte Gabrielle ruhig. „Wie fühlt es sich an, auf den Spuren deines Vaters zu wandeln?“

7. KAPITEL
    Rafael stieg aus dem Wagen, den Etienne ihm geliehen hatte, und betrat seit neun langen Jahren zum ersten Mal wieder den Boden der Champagne. Caverness stand wie eh und je grau und einschüchternd da und beherrschte das Dorf im Tal genauso, wie es Rafael in seiner Kindheit beherrscht hatte. Himmel, er hatte sich geschworen, niemals an diesen Ort zurückzukehren, doch jetzt war er hier, und er konnte es nicht bereuen.
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, straffte die Schultern ganz so als bereite er sich auf die Schlacht vor, und ging auf das Schloss zu. Doch dann blieb er abrupt stehen, denn er wusste nicht, welche Tür er benutzen sollte. Küchentür oder Eingangsportal? Gast oder Familie? Willkommen oder nicht?
    Ihm wurde die Entscheidung abgenommen, als die Küchentür aufflog und Gabrielle hinausstürzte. Mit freudestrahlendem Gesicht warf sie sich in seine Arme. „Du bist gekommen“, stieß sie glücklich hervor, während sie seine Wangen mit Küssen bedeckte. „Ich wusste, dass du kommen würdest.“
    Luc tauchte im Türrahmen auf. Seine Haltung wirkte entspannt, doch seine Miene drückte Reserviertheit aus. Gabrielle drängte Rafe zur Tür. Luc ging die Stufen herab und kam ihnen entgegen. Rafael schaute ihn vorsichtig an. Dieser Mann stand ihm so nah wie ein Bruder. Er wusste ganz genau, wie heftig Lucien die Menschen verteidigte, die er liebte.
    „Gabrielle“, murmelte er. „Vielleicht gehst du besser hinein.“
    „Nur Mut“, wisperte sie ihm ins Ohr, während sie ihren Ehemann betrachtete. „Luc ist durchaus in der Lage, beide Seiten der Medaille zu sehen.“
    „Er muss die Ehre seiner Schwester verteidigen, das ist ganz normal“, erwiderte Rafe und schob Gabrielle resolut hinter sich. Vermutlich verstand sie gar nicht, wie ein Bruder fühlte, wenn ein Mann nur eine Nacht mit einer Frau verbrachte und dann davonging, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Egal, welche Gründe er dafür hatte.
    „Wenn ich dich nicht wie einen Bruder lieben würde, dann würde ich dich umbringen“, erklärte Luc schlicht, trat vor und zog Rafe in eine heftige Umarmung. „Ich könnte immer noch versucht sein, es zu tun.“
    „Das wirst du schön bleiben lassen“, versetzte Gabrielle streng, und als sich die beiden Männer voneinander lösten, fügte sie zu ihrem Bruder gewandt hinzu: „Wir warten schon seit zwei Tagen auf dich. Warum hast du so lang gebraucht?“
    „Ich bin mit dem Auto gefahren. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken.“ Rafe blickte sich um. „Wo ist sie?“
    „Im alten Rosengarten“, erwiderte Gabrielle. „Rafael?“
    Er war bereits auf dem Weg zu ihr, blieb stehen, bezwang seine Ungeduld und drehte sich zu dem frisch vermählten Ehepaar um.
    „Ich habe ihr gesagt, dass ich dich angerufen habe.“
    „Das ist nur fair.“
    „Sie war ziemlich sauer auf mich.“
    „Ich bringe es wieder in Ordnung.“
    „Gut. So hatte ich mir das auch vorgestellt. Ich hoffe sehr, dass sie mir irgendwann verzeiht. Schwestern sollten sich nicht wegen einem Mann entzweien.“
    „Schön“, entgegnete er und ging weiter.
    „Rafael?“
    „Was?“ Erneut blieb er stehen. Geduld gehörte ganz eindeutig nicht zu seinen Tugenden. Luc musste lachen, und Gabrielle verdrehte die Augen.
    „Ich habe etwas für dich, was du Simone geben sollst. Ich dachte mir schon, dass du vermutlich nicht daran denken würdest.“ Sie deutete mit dem Finger zuerst auf ihren Bruder, dann auf den Boden zu seinen Füßen. „Warte hier.“ Sie verschwand durch die Küchentür und kehrte wenige Augenblicke später mit einem sandfarbenen Bündel in den Armen zurück.
    Rafael schaute genauer hin.
    Das Bündel hatte eine Nase. Zwei Ohren. Pfoten. Große braune Augen.
    „Das ist ein Welpe“, stutzte er.
    „Es ist ein Golden Retriever“, erwiderte Gabrielle, während sie ihm den Welpen in die Arme drückte. „Und es ist eine Sie.“
    „Sie ist fett“, bemerkte er als Nächstes.
    „Das ist nur ein bisschen Welpenspeck“, berichtigte Gabrielle, während sie der kleinen Hündin den Kopf tätschelte. „Hör bloß nicht auf ihn, Sweetheart. Du bist nicht fett, du bist nur ein bisschen üppig. Wie die Frauen auf den Gemälden bei Rubens, und du wirst eine ganz besondere Schönheit werden.“
    Der Hund zappelte in Rafes Armen.

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