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Gestohlene Leidenschaft

Gestohlene Leidenschaft

Titel: Gestohlene Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Hewitt
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sich leider wie eine Gefangene vor, denn ohne Khalis’ Einverständnis kam hier niemand hinaus. Bei dem Gedanken durchzuckte sie ein heftiger Kopfschmerz. Ihre Finger krampften sich um die Gabel in ihrer Hand.
    Beunruhigt musterte Khalis sie. „Was ist los, Grace?“
    „Sind Sie hier aufgewachsen?“, fragte sie unvermittelt. „Hinter diesen Mauern?“
    Nachdenklich sah er sie an. Warum hat sie meine Frage nicht beantwortet? „Meistens war ich nur in den Ferien hier“, sagte er schließlich. „Ich bin mit sieben Jahren ins Internat gekommen. In England“, fügte er hinzu.
    „Mit sieben? Das muss hart gewesen sein.“
    „Halb so wild. Natürlich habe ich meine Eltern vermisst. Damals war ich noch ein Kind und hatte keine Ahnung, wie sie wirklich waren.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ihnen ist sicher bekannt, dass mein Vater nicht gerade ein Vorbild war.“
    „Ja.“
    „Das wusste ich als Kind aber nicht. Er hat mir einfach gefehlt“, erklärte er sachlich.
    Der Ärmste, dachte Grace und fragte sich, wann er wohl die Wahrheit über seinen Vater entdeckt hatte. Nach dem Studium? Hatte er von einem Tag auf den anderen aufgehört, seinen Vater gernzuhaben? Wahrscheinlich. „Und was ist mit Ihrer Mutter, Khalis?“
    „Sie ist gestorben, als ich zehn war. Ich kann mich kaum an sie erinnern.“
    „Nein?“ Überrascht schaute sie ihn an. „Ich habe meine Mutter verloren, als ich dreizehn war, und erinnere mich noch sehr gut an sie.“ An den Duft ihrer Handcreme, an das seidige Haar und die Schlaflieder, die ihre Mutter ihr vorgesungen hatte. Nach dem Tod ihrer Mutter war Grace das Haus in der Grange Road leer und staubig vorgekommen. Ihr Vater hatte immer mehr Zeit mit seinen Büchern und Antiquitäten verbracht.
    „Das ist alles schon so lange her.“
    Also will er auch über seine Mutter nicht sprechen, dachte sie. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, als wollte Khalis nicht an die Menschen in seiner Vergangenheit erinnert werden.
    Gerade das weckte Graces Neugierde. Sie hätte gern mehr über diesen Mann erfahren, der so viele Geheimnisse hütete – und von tiefem Kummer geplagt war. Auch wenn das auf den ersten Blick nicht sichtbar war. Nun schaute er sie mit seinen faszinierenden grau-grünen Schlafzimmeraugen begehrlich an. Unwillkürlich regte sich auch bei ihr lange unterdrücktes Verlangen. Gleichzeitig durchzuckte ihren Kopf jedoch erneut ein stechender Schmerz. Wie passend: Schmerz und Vergnügen. Versuchung und Folter. In ihrem Leben gehörte das wohl zusammen, oder?
    Grace zwang sich, das Gespräch wieder auf die Arbeit zu lenken. „Morgen früh würde ich mir gern das Labor ansehen, das Sie vorhin erwähnt haben“, sagte sie in einem geschäftsmäßigen Ton. „Je eher ich einschätzen kann, ob die Gemälde tatsächlich aus Leonardo da Vincis Hand stammen, desto besser.“
    „Zweifeln Sie denn an ihrer Echtheit?“
    „Das ist mein Job“, erklärte sie. „Meine Aufgabe ist es zu beweisen, dass sie echt sind.“
    „Faszinierend.“ Khalis sah ihr tief in die Augen. „Auf der Suche nach der Wahrheit. Wie sind Sie ausgerechnet auf diesen Beruf gekommen?“, fragte er neugierig.
    „Mein Vater war Professor für Altertumskunde. Ich bin praktisch umgeben von Antiquitäten aufgewachsen und habe meine halbe Kindheit in Museen verbracht. Abgesehen von einer Phase, in der ich völlig versessen auf Pferde und aufs Reiten war.“ Sie lächelte wehmütig. „Das Fitzwilliam in Cambridge war praktisch mein zweites Zuhause.“
    „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm?“
    „Schon möglich.“ Sie hielt seinem Blick stand. „Man erbt wohl nicht nur die Gene.“
    Der Blick der grau-grünen Augen hielt sie gefangen und entfesselte Gefühle in ihr, die lange verschüttet gewesen waren: die Sehnsucht, verstanden zu werden, und den Wunsch, durchschaut zu werden. In Khalis’ Augen las sie die unterschiedlichsten Emotionen: Kummer, Wut, Verzweiflung. Oder spiegelten sich ihre Gefühle in seinem Blick? Was sie gesehen hatte, verstärkte die Kopfschmerzen so sehr, dass sie am liebsten die Augen geschlossen hätte. Doch dann wandte Khalis den Blick ab, presste die Lippen zusammen und betrachtete den im Dunkel liegenden Garten.
    „Sie müssen noch den Nachtisch probieren“, sagte er, als wäre nichts gewesen. „Mandel-Sesam-Gebäck, eine tunesische Spezialität.“ Die junge Frau servierte Kaffee zum Gebäck.
    Grace biss von einem Stück Blätterteiggebäck ab, verzichtete jedoch auf den Kaffee.

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