Gestohlene Leidenschaft
erklärte er ausweichend.“ Damit war das Thema für ihn beendet.
Er ist genauso umgänglich wie Khalis, dachte Grace trocken. Und ebenso zugeknöpft.
„So, da wären wir.“ Höflich hielt er ihr die Tür zu einem freundlichen Zimmer im rückwärtigen Teil des Hauses auf, wo Khalis bereits am Frühstückstisch saß, Kaffee trank und auf seinem Tablet-PC Zeitung las. Er begrüßte sie mit einem Lächeln, das sie sofort wieder an die vergangene Nacht erinnerte, als Khalis sie in ihr Zimmer getragen und sie sich dabei an ihn geschmiegt hatte.
„Sie scheinen sich wieder besser zu fühlen“, bemerkte er, als sie sich an den Tisch setzte.
Grace schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Ja, danke. Ich muss mich für gestern Abend entschuldigen.“
„Wieso?“
Sie goss Milch in die Tasse. „Weil ich nicht mehr funktioniert habe.“
„Sie hatten starke Schmerzen, Grace“, sagte er so ruhig und energisch, dass sie erstaunt aufsah und seinem viel zu verständnisvollen Blick begegnete. Fast war sie versucht, sich Khalis anzuvertrauen.
Nachdenklich rührte sie den Kaffee um und trank einen Schluck. „Trotzdem. Schließlich bin ich zum Arbeiten hier.“
„Dazu haben Sie heute Gelegenheit. Was genau steht denn auf Ihrem Plan?“
Dankbar über den Themenwechsel erzählte sie, was sie sich vorgenommen hatte. „Zunächst muss ich die Werke im Tresorraum katalogisieren und anhand des Verzeichnisses geraubter Kunst feststellen, welche Gemälde wo gestohlen worden sind. Dann müssen die entsprechenden Museumsdirektoren verständigt werden und …“
Khalis unterbrach sie schnell. „Es wäre mir lieb, wenn das warten könnte, bis wir genau wissen, womit wir es zu tun haben.“
Sein Einwurf beunruhigte sie. Zwar konnte sie sich nicht vorstellen, dass er das Diebesgut behalten wollte, doch so ganz traute sie ihm nicht über den Weg. „Warum?“
„Weil ich mit einem Medienansturm rechne, sowie bekannt wird, dass mein Vater gestohlene Kunstwerke gehortet hat. Das würde ich gern so weit wie möglich verhindern. Ich stehe nicht gern im Licht der Öffentlichkeit.“
„Ich auch nicht“, gab Grace zu.
„Aber Sie werden mit Sicherheit in den Berichten erwähnt werden, die unweigerlich erscheinen werden.“
„Axis Art Insurers. Mein Name wird herausgehalten. Das habe ich zu Beginn meiner Tätigkeit bei der Versicherung zur Bedingung gemacht“, erklärte Grace.
„Sie scheinen Publicity ebenso zu hassen wie ich.“ Khalis musterte sie über den Tassenrand hinweg.
„Ja.“
„Dann kann Ihnen meine Entscheidung, noch zu warten, bevor wir jemanden informieren, doch nur recht sein.“
„Im Prinzip ja, aber ich lasse mich nicht gern bevormunden.“
Khalis zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Es ist doch keine Bevormundung, wenn ich die Bitte äußere, die Polizei erst später zu unterrichten.“
„Es könnte mich kompromittieren.“
„Haben Sie moralische Bedenken, Grace?“
Nein, eigentlich nicht. Solange Khalis die zuständigen Behörden informierte und die gestohlenen Kunstwerke den rechtmäßigen Besitzern zurückgab. Aber konnte sie ihm wirklich trauen?
Schon einmal hatte sie den Zusicherungen eines Mannes vertraut, seinen Versprechen geglaubt. Und was hatte ihr das eingebracht? Gefangenschaft und tiefe Verzweiflung. Grace zuckte vor Schmerz zusammen, führte sich jedoch vor Augen, dass Khalis Tannous nicht ihr Exmann und ihr Verhältnis rein geschäftlich war.
„Sie trauen mir nicht zu, angemessen mit der Sammlung meines Vaters umzugehen, oder?“, fragte Khalis ruhig.
Grace hütete sich davor zuzugeben, dass es gar nicht um die Kunst ging, sondern um etwas Tiefes, Verborgenes, das sie selbst nicht in Worte fassen konnte. Sie kannte den Mann doch nur flüchtig. Also schaute sie ihm in die Augen und sagte sachlich: „Ich kenne Sie ja gar nicht.“
„Aber Sie müssen doch zugeben, dass es idiotisch von mir wäre, Ihre Versicherung mit der Begutachtung zu beauftragen, wenn ich vorhätte, die Bilder zu behalten oder auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Ihr Misstrauen ist wirklich lächerlich, Grace.“
Das war ihr bewusst. Sie wusste, dass Khalis nichts Illegales mit den Gemälden vorhatte. Trotzdem hatte sie ein ungutes Gefühl. Wahrscheinlich, weil sie nachvollziehen konnte, wie schrecklich es war, eingesperrt zu sein. Wie Leda hatte auch sie ein unglückliches Dasein gefristet. Doch das musste sie für sich behalten.
War es nicht absurd und lächerlich, dass eine tiefe Sehnsucht in ihr erwachte,
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