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Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Ann Walker
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denken. Vielleicht lag es an der Erschöpfung oder der Angst, aber sie hatte geglaubt … nur für eine Sekunde …
    Sie schüttelte den Kopf und wusste nicht mehr, was sie geglaubt hatte.
    Also grinste sie ihn angespannt an, entzog ihm ihre Hand und schob die Truhe wieder an ihren Platz. Sie wollte schon zur Falltür gehen, drehte sich aber noch einmal um, bevor sie sie erreicht hatte.
    Hier, an diesem sicheren Ort ihrer Kindheitsträume, musste sie ihn noch eines fragen. »Warst du bei ihm? Am Ende?«
    Nates gequälter Blick gab so viel Kummer preis, dass es ihr den Atem raubte.
    Ja, sie war in Griggs Herz gewesen, aber auch Grigg hatte einen festen Platz in Nates Herz gehabt.
    Sie standen sich näher als Brüder, wie ihre Mutter einmal erkannt hatte. Jetzt, als sie sein gepeinigtes Gesicht sah, glaubte sie es auch.
    »Ja.« Seine Stimme war rau wie Sandpapier, und der Muskel in seinem Kiefer zuckte heftig.
    »Hatte er große Schmerzen? Hat er gelitten?« Himmel, sie wusste nicht einmal,
warum
sie das überhaupt fragte.
    Natürlich
hatte er Schmerzen gehabt.
Natürlich
hatte er gelitten. Man hatte ihn
gefoltert
.
    »Ja«, flüsterte Nate, und nur das Zucken eines Augenlids verriet ihr, wie viel Überwindung es ihn kostete, das zuzugeben.
    Es war nur ein Wort, barsch ausgesprochen, aber als sie darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass ein Wort hundert Dinge sagen konnte. Hundert schreckliche, furchtbare Dinge.
    Großer Gott, Grigg, es tut mir so leid. So unendlich leid.
    Sie hatte immer gewusst, dass ihr Bruder keinen leichten Tod haben würde, aber es bestätigt zu hören, war fast mehr, als sie ertragen konnte. Sie schnappte nach Luft, atmete den staubigen, vertrauten Geruch des Baumhauses ein und nickte. »Okay.«
    Als Nate zögerte und ihr einen harten, suchenden Blick zuwarf, legte sie erneut den Kopf leicht zur Seite. »Lass uns gehen. Es geht mir gut.«
    Er mahlte mit dem Kiefer und wusste offenbar nicht, was er tun sollte, doch dann seufzte er schwer und drehte sich um, um die Falltür zu öffnen.
    Sie beobachtete, wie er schnell und geschmeidig nach unten kletterte, und wischte sich wütend eine rebellische Träne weg. Nein, sie wollte ihn nicht damit belasten, dass sie weinte, wo er doch nur das getan hatte, worum sie ihn gebeten hatte … ihr die unerklärliche, furchtbare, unverblümte Wahrheit zu sagen.
    Dann kamen seine großen, schwarzen Bikerstiefel geräuschlos auf dem weichen Boden unter der Eiche auf, und sie musste sich keine Tränen mehr wegwischen. Sie trockneten schneller als im Wüstenwind, als er eine zur Faust geballte Hand hochhielt.
    Selbst wenn Grigg ihr nicht vieles gezeigt hätte, so hatte sie doch genug Filme gesehen, um zu wissen, was diese ganz besondere Geste bedeutete. Er sagte ihr damit, dass sie leise sein und sich nicht bewegen sollte. Es bedeutete, dass etwas Nate »Ghost« Weller erschreckt hatte, und sofort bekam sie große Angst.
    Schreckliche Sekunden verstrichen wie Stunden, und ihre ohnehin schon angespannten Nerven drohten zu zerreißen.
    Sie hätte nie gedacht, dass sie das jemals denken würde, aber in diesem Moment vermisste sie tatsächlich die Beruhigung, Nates Reservewaffe in den Händen zu spüren. Sobald sie wieder bei der Phantom waren, wollte sie ihn bitten, ihr den kleinen Colt zu geben.
    Wow, was war nur aus ihrem Leben geworden?
    Sechsunddreißig Stunden, nachdem sie zu Nate geflüchtet war, fühlte sie sich schon kribbelig, wenn sie nicht das Gewicht einer Waffe in ihrem Hosenbund spürte. Vielleicht würde sie ab morgen mit Patronengurten und einem roten Bandana herumlaufen. Sie konnte Ozzie den Rang als bester Rambo-Nachahmer streitig machen.
    »Gott kennt Gnade, Rambo nicht …« Sie sagte die Worte in ihrem Kopf und fand, dass Ozzie das vermutlich überzeugender rüberbrachte.
    Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, sah Nate zu ihr hinauf, und seine schwarzen Augen durchbohrten die Dunkelheit wie Laser. Er nickte einmal, hielt seine mattschwarze Waffe aber weiterhin im Anschlag. Trotz seiner Aufforderung sah sie sich noch einmal um, bevor sie die Strickleiter herunterkletterte.
    Sie war kaum unten angekommen, als er sie schon drängte, über den Rasen zu laufen.
    »Was ist los?«, flüsterte sie und sah nervös in die dunklen Ecken und durch die dichten Blätter der Hecke ihrer Eltern.
    Anstatt ihr zu antworten, schüttelte er nur den Kopf und behielt dieselben Ecken und Büsche ebenfalls im Auge.
    Ihr lief es eiskalt den Rücken

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