Gestrandet
Befreiung.«
Janeway griff behutsam nach der unruhig hin und her
tastenden Hand des Talaxianers. »Gerade die Crew dieses Schiffes weiß, was es bedeutet, geliebte Personen zu verlieren«, sagte sie. »Jeder von uns hat jemanden
zurückgelassen: einen Freund, die Eltern, ein Kind, einen Ehepartner.« Einen Geliebten, fügte sie in Gedanken hinzu.
»Ein Ergebnis besteht darin, daß wir uns alle sehr viel näher gekommen sind. Wir sind alles, was wir haben. Es gibt niemanden, der nicht wenigstens einmal in der Krankenstation gewesen ist und dort Kes’ Pflege erfahren hat.« Sie lächelte.
»Der Doktor dürfte die einzige Ausnahme sein. Er wird nie krank.«
Neelix schmunzelte nicht über den Scherz. Er sah Janeway an, und der Blick seiner gelben Augen klebte an ihr fest. Er fragte sich vermutlich, ob er wirklich hoffen durfte. Sie dachte kurz an die Personen, die sie geliebt und verloren hatte: ihren Vater, ihren Verlobten Justin, Mutter und Schwester, Mark –
zwei von ihnen waren tot, und von den anderen drei trennte sie eine enorme Entfernung. Sie hatte sich damit abfinden müssen, fortan ohne sie zu leben.
Als sich Janeway die nächsten Worte zurechtlegte, hoffte sie inständig, daß sie sich später nicht als Lüge herausstellten. Sie wollte Kes nicht verlieren, und sie wollte auch nicht erleben, wie sich ein derartiger Verlust auf den sonst immer so fröhlichen Neelix auswirkte.
»Wir werden sie befreien und zurückholen«, sagte Janeway und betonte jedes einzelne Wort. Erneut griff sie nach der Hand des Talaxianers, und seine Finger schlossen sich so fest um ihre, daß es schmerzte.
Mit der freien Hand schob sie den Becher über den Tresen.
»Wie wär’s mit Nachschub?«
Kurz darauf traf die Nachricht ein, daß es erneut möglich war, die Warpspur der Entführer zu orten. Janeway kehrte zur Brücke zurück, nachdem sie Neelix noch einmal versichert hatte, daß sie nichts unversucht lassen würden, um Kes zu befreien. Als sie die Offiziersmesse verließ, war sein Summen wie Musik für ihre Ohren.
Sie betrat die Brücke und traf dort den Doktor, der sie mit gerunzelter Stirn ansah. »Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muß der Berg eben zum Propheten kommen«, zitierte der holographische Arzt. »In diesem Fall ärgert es den Berg, daß er den ganzen Weg von der Krankenstation bis zur Brücke zurücklegen mußte, während sich der Prophet bei einer Tasse Kaffee in der Offiziersmesse entspannte.«
»Der Kaffee stammte von Neelix«, protestierte Janeway halbherzig, während der Doktor rasch ihre Verletzung behandelte. »Von Entspannung kann also kaum die Rede sein.«
»Das war’s«, sagte der Doktor, und ein wenig Stolz erklang in seiner Stimme. »Die Wunde ist geheilt. Das Blut müssen Sie selbst abwaschen.«
»Ich glaube, damit komme ich zurecht.« Janeway hob kurz die Hand zur Kruste an ihrer Stirn. »Statusbericht.«
»Wir sind dem Schiff wieder auf der Fährte«, meldete Chakotay. »Kurs vier null Komma sieben, Warp sechs.«
»Beschleunigen wir auf Warp acht«, sagte Janeway. »Ich möchte den Entführern nicht nur folgen, sondern sie einholen.«
Sie ging in Richtung Bereitschaftsraum, um dort das Blut abzuwaschen. Nach einigen Schritten merkte sie, daß ihr der holographische Arzt folgte. »Gibt es sonst noch etwas, Doktor?«
Er zögerte verlegen, was Janeway zum Anlaß nahm, ihn in ihr Zimmer zu winken. Hinter ihnen schloß sich die Tür. Sie bedeutete ihm, Platz zu nehmen, suchte dann die private Hygienezelle auf und säuberte dort ihr Gesicht. »Was ist los?«
»Captain…« Er setzte sich nicht, sondern begann mit einer unruhigen Wanderung. »Ich muß Bescheid wissen. Wie
beurteilen Sie die Chance, Kes zurückzuholen?«
Janeway nahm ein Handtuch, trocknete sich das Gesicht ab und kehrte dann in den Bereitschaftsraum zurück. »Ich hoffe sehr, daß wir Erfolg haben.«
»Es ist von größter Bedeutung!« entfuhr es dem Doktor.
Etwas leiser und ruhiger fügte er hinzu: »Wir brauchen sie. Ich bin ein für den Notfall bestimmtes holographisches Medo-Programm und sollte zum Einsatz kommen, wenn dem
primären Bordarzt etwas zustößt. Wir benötigen Kes für den Fall, daß ich nicht mehr richtig funktioniere.«
»Ja, natürlich. Ich weiß, daß Sie Kes ebensosehr vermissen wie wir, Doktor. Das verstehe ich. Wir…«
Die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen, und Chakotay trat einen Schritt vor.
»Was ist, Commander?«
»Ich glaube, wir haben das Ende der Warpspur
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