Gestrandet
führte Kes eine metallene Wendeltreppe hinunter. »Vor langer Zeit – nach deinen Begriffen – war dies eine
Gefängniswelt. Damals bot die Kuppel noch Schutz, und man benötigte nicht nur Sicherheitssysteme, sondern auch Terraforming-Technik. Nun, die Sicherheitssysteme
verwenden wir nach wie vor, allerdings zu anderen Zwecken.«
»Wer war hier gefangen?«
Aren zuckte mit den Schultern. Er ging voran – um Kes mit seinem Körper abzufangen, falls sie stolperte und fiel. Dadurch bemerkte sie die sonderbaren Vorwölbungen im oberen Teil des Rückens. Normalerweise vermied es Aren, ihr gegenüber eine Haltung einzunehmen, die es ihr gestattete, seinen Rücken zu sehen. Handelte es sich bei den ›Buckeln‹ um
Mißbildungen, die er verbergen wollte? Kes hielt noch genauer Ausschau und fragte sich, warum Aren in dieser Hinsicht scheu oder verlegen sein sollte.
»Die Angehörigen verschiedener Völker. Wenn du daran interessiert bist… Ich zeige dir gern, wie du am Computer entsprechende Informationen abrufen kannst. Gefällt es dir, mehr über fremde Völker zu erfahren?«
»Ich lerne gern«, lautete die ehrliche Antwort der Ocampa.
»Die hiesigen Computer enthalten viele Daten, und die meisten Ja’in sind Rhulani. Wir leben lange und sehen viel.
Wenn man beides zusammen nimmt, die Computer und uns…
Ich glaube, dir gehen eher die Fragen aus als uns die Antworten.«
Sie erreichten den Boden des Gewölbes. Kes rechnete mit einer ganz bestimmten Reaktion Arens, und sie wurde nicht enttäuscht: Er trat von der letzten Stufe herunter und drehte sich sofort um, damit Kes nicht mehr seinen Rücken sehen konnte. Er streckte die Hand aus, aber Kes schenkte ihr keine Beachtung. Wenn ihn das ärgerte, so ließ er sich nichts anmerken.
»Nun, Liebling, was interessiert dich? Nenn mir ein
beliebiges Thema, und ich werde dafür sorgen, daß du alle gewünschten Auskünfte bekommst.«
»Sie erwähnten eben umfangreiche Terraforming-Technik«, sagte Kes. »Wo befindet sie sich?«
Aren klatschte zweimal in die Hände. Sofort eilte der dürre, nervös wirkende Rhulani namens Kula Dhad herbei.
»Erhabener?« fragte er und verbeugte sich.
»Sie haben mit den Datenarchiven der hier installierten Computer gearbeitet, nicht wahr?«
»Ja, Erhabener, obgleich Shanri Shul mehr…«
»Ausgezeichnet. Meine liebe Kes möchte mehr über die Vergangenheit Mischkaras erfahren, insbesondere über die von den Sshoush-shin verwendete Terraforming-Technik. Können Sie ihr zeigen, wie man entsprechende Informationen abruft?«
»Ich werde mir alle Mühe geben, es ihr zu erklären«, erwiderte Dhad sofort.
»Dann überlasse ich dich jetzt der Obhut von Kula Dhad, meine Liebe. Wenn du Fragen hast, so wird er sie beantworten oder jemanden holen, der dir Antwort geben kann.«
»So ist es, erhabene Kes.«
»Nein, bitte nennen Sie mich einfach nur Kes«, sagte die Ocampa. Eine so förmliche Anrede gefiel ihr ganz und gar nicht.
Dhads Blick wechselte zwischen Aren und Kes hin und her.
Schließlich deutete Yashar ein Nicken an, und daraufhin entspannte sich Dhad. »Wie Sie wünschen, Kes.«
Aren wandte sich der Treppe zu und beabsichtigte ganz offensichtlich, nach oben zurückzukehren.
»Wohin gehen Sie, Aren?« entfuhr es Kes, bevor sie die Worte zurückhalten konnte.
Yashar blieb stehen, und angenehme Überraschung zeigte sich in seinem Gesicht. »Warum fragst du, Liebling? Wirst du mich vermissen?«
Kes suchte nach den richtigen Worten. »Ich… Sie haben mich nie zuvor in der Gesellschaft anderer Personen
zurückgelassen.«
»Möchtest du, daß ich hierbleibe?«
»Nein, nein, schon gut«, erwiderte Kes und fragte sich, warum ihr freundliche Worte über die Lippen kamen. Was war mit ihrem Zorn geschehen? »Kula Dhad ist bestimmt ein guter Lehrer.«
Aren zögerte, und der Blick seiner purpurnen Augen haftete an ihren Zügen fest. »Es heißt, Trennung führt zu Sehnsucht.
Ich hoffe, das ist auch bei dir der Fall, Liebling. Ich vermisse dich schon jetzt.« Er ging die Wendeltreppe hoch, und seine Stiefel verursachten ein rhythmisches Pochen auf den metallenen Stufen. Kes sah ihm nach, bis er in den Schatten verschwand.
Dann drehte sie sich um und stellte fest, daß Dhad sie aufmerksam musterte. Sein abschätzender Gesichtsausdruck wurde rasch wieder zu dem eines gehorsamen Dieners.
»Sie alle haben schreckliche Angst vor Yashar, nicht wahr?«
fragte Kes.
»Wir wären Narren, wenn wir keine Angst vor ihm hätten«,
Weitere Kostenlose Bücher