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Gestrandet

Gestrandet

Titel: Gestrandet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christie Golden
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nur wenig Licht im dschungelartigen Garten, aber es genügte für Kes, um sich zu orientieren. Einige Sekunden lang stand sie einfach nur da und wartete darauf, daß sich ihre Augen ans Halbdunkel gewöhnten. Sie nahm den herrlichen Duft zahlreicher Gewächse wahr, hörte das Plätschern von Wasser.
    Einerseits kannte Aren Kes überhaupt nicht, und andererseits kannte er sie sehr gut. Besorgnis und Anspannung fielen zusammen mit dem Bademantel von ihr ab. Warme Luft strich ihr über den Körper, schien sie zu streicheln. Um sie herum wuchsen Dutzende von Pflanzen, die sich einfach nur damit begnügten zu sein.
    Vielleicht sollte ich von ihnen lernen, dachte Kes und berührte ein großes grünes Blatt mit wächserner Textur. Die Pflanzen können nicht ändern, was mit ihnen geschieht, und deshalb lassen sie es einfach geschehen. Wurzeln weichen Felsen aus; Ranken wickeln sich um den Baumstamm.
    Kes ließ das Blatt los, lächelte und schritt zum nahen Teich.
    Dort blieb sie wie angewurzelt stehen.
    Sie sah Aren, der ihr den Rücken zukehrte. Bis zur Hüfte stand er im Teich und ließ den kleinen Wasserfall über sein langes schwarzes Haar strömen. Er schien zu glauben, völlig allein zu sein. Zuerst argwöhnte Kes eine Falle, doch diesen Gedanken schob sie sofort beiseite. Die Entscheidung, ein Bad zu nehmen, hatte sie einfach so getroffen, und während ihrer Vorbereitungen war Dhad wohl kaum imstande gewesen,
    Yashar zu benachrichtigen. Nein, vermutlich fand Aren einfach nur Gefallen daran, im warmen Teich zu baden, umgeben von herrlich duftenden Pflanzen.
    Kes wußte nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Sie bedauerte, den Bademantel zurückgelassen zu haben, und schlang das große Handtuch um ihren Leib, um nicht völlig nackt zu sein. Sie wollte sich umdrehen und so leise wie möglich zurückkehren, als Aren sein schwarzes Haar hob.
    Darunter kam der Rücken zum Vorschein, und Kes riß die Augen auf.
    Die kräftigen Muskeln überraschten sie nicht, wohl aber jene Dinge, die sich als seltsame Vorwölbungen abgezeichnet hatten.
    Kes glaubte, reine Schönheit zu sehen.
    Zwei kleine, rudimentäre Schwingen ragten aus dem Rücken und glänzten ebenso bunt wie die Schwimmhäute zwischen den Fingern.
    Sie wiesen keine Federn auf und zeichneten sich auch nicht durch die ledrige Struktur aus, die Kes von Fledermäusen und anderen fliegenden Säugetieren her kannte. Diese Flügel waren so zart und fragil wie die von Schmetterlingen. Fliegen konnte Aren natürlich nicht mit ihnen – sie erinnerten an eine frühere Existenz, an ein anderes Leben.
    Das Wasser floß über sie hinweg, bis Aren unter der Kaskade hervortrat. Daraufhin zuckten die Schwingen mehrmals, und Myriaden Tropfen stoben davon.
    Einer der beiden Flügel wirkte unvollkommen und verletzt, so als hätte jemand versucht, ihn abzureißen.
    Offenbar verursachte Kes irgendein Geräusch, denn Aren erstarrte plötzlich. Wasser spritzte, als er um die eigene Achse wirbelte und zur Ocampa starrte. Kes wandte sich nicht ab; ihr Blick blieb auch weiterhin auf den Mann gerichtet.
    Einige Sekunden lang bestand das einzige Geräusch aus dem Plätschern des Wassers.
    Schließlich beendete Aren das Schweigen. »Du hast es gesehen«, sagte er. Tief empfundene Gefühle vibrierten in seiner Stimme.
    Kes nickte. Sie konnte noch nicht sprechen.
    Aren seufzte schwer, sank ins Wasser und vollführte
    rudernde Bewegungen mit den Armen. Er wirkte sehr
    nachdenklich.
    Nach einer Weile fand Kes die Sprache wieder. »Warum verstecken Sie die Flügel? Warum die Scham?«
    Er bedachte sie mit einem durchdringenden Blick, und sein Gesicht verriet nichts. »Warum hältst du so krampfhaft das Handtuch fest?« fragte er.
    Von einem Augenblick zum anderen glühten Kes’ Wangen.
    Das Handtuch bedeckte ihre Blöße kaum, aber sie widerstand der Versuchung, zurückzulaufen und den Bademantel zu holen. Ein solches Gebaren hätte ihr zusätzliche Verlegenheit beschert.
    »Schämst du dich deines Körpers?« fügte Aren hinzu.
    »N-nein«, erwiderte Kes. »Aber an Bord der Voyager gehört Nacktheit in die Sphäre des Privaten. Der eigene Körper geht nur einen selbst etwas an.«
    Aren lächelte. »Genau. Ähnlich verhält es sich mit unseren Flügeln. Wir sprechen nicht darüber, und wir zeigen sie nicht.
    Vor allem keinen Fremden.« Er legte eine kurze Pause ein und sah dann zu Kes auf. Ihr Herz raste, als sie die Verletzlichkeit in seinen Augen bemerkte. »Du hast meine Schwingen
    gesehen.

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