Gesunde Ernährung und andere Krankheiten (neues Wissen)
gemörsert. In dem halben Jahr, in dem ich eine Gruppe betreue, erfahren die Kinder vor allem über Geruchs-, Geschmacks-, Tast- und den visuellen Sinn eine Menge über Lebensmittel. Ganz anders als bei einem Frontalunterricht, bei dem nur die Augen und die Ohren angesprochen werden. Bei mir muss auch nicht probiert werden, das machen die Kinder früher oder später von ganz allein. Auch darf beim Kochen gern genascht werden, selbst wenn die „Rezeptur“ nicht mehr stimmt.
Mein Konzept scheint erfolgreich, am Ende des Halbjahres essen die Kinder fast alles, was sie bei mir kochen.
Natürlich gibt es auch immer wieder Ausrutscher. Ein Junge wünschte sich Nudeln mit Pesto. Super Idee, fand ich. Ich habe mir ein Pesto ausgedacht, von dem ich ausging, es würde den Kindern besonders gut schmecken. Mit Erdnüssen, einem milden Käse, leichten Kräutern, etwas Honig, Sonnenblumenöl. Leider habe ich völlig danebengelegen. Das Pesto war köstlich, aber die Farbe und die Textur, insbesondere die grob gemahlenen Erdnüsse in der pastösen Soße, schnell war der Vergleich zu Erbrochenem da. Das hat die ganze Gruppe so gesehen, und da war auch für mich nichts mehr zu wollen.
Um die Wogen der Empörung wieder zu glätten, haben wir beim nächsten Kochen Hamburger mit Pommes gemacht – natürlich selbstgemacht.
Das Experiment: Jetzt wollte ich es genau wissen. Ein Kochtermin fiel auf den 31. Oktober – Halloween! Also war mein Plan, richtig eklig halloweenmäßig zu kochen. Ich habe Gerichte ausgesucht, die wir schon gekocht haben, und welche die Kinder liebten. Angefangen mit der Tomatensoße, die zur Blutsuppe wurde. Darin ringelten sich Ekelwürmer (aus Nudelteig, den wir mit Kurkuma gelb gefärbt haben). Dazu zwei gekochte Eier, aus denen wir mit Olive und Tomatenmark Glubschaugen gebastelt haben, die aus der Blutsuppe herauslugten. Wurstfinger mit gelben Mandelfingernägeln. Bis hin zu „Hundehaufen“ aus Rinderhackfleisch.
Alles leckere Sachen, aber Sie werden es sich schon denken können: Es wurde kaum was gegessen. Die Kinder, vor allem die Jungen, fanden das natürlich total toll und so richtig schön eklig, letztlich haben sie sich aber alle gegenseitig den Appetit verdorben.
Gesunde Ernährung macht Schule?
Doch wie wird eigentlich mit dem Thema Essen in den Schulen selbst umgegangen?
In den meisten Schulen finden sich mittlerweile Mensen, in denen die Kinder zu Mittag essen können. Die Schulen haben ein Budget für diese Speisung, und je nach Schulgröße kommt da viel Geld zusammen. Etliche Catering-Unternehmen buhlen um diesen Markt, und wie so oft, wird alles über den Preis entschieden. Schließlich müssen die Schulen ja haushalten. Es kommt eine Einheitsversorgung auf sehr niedrigem Niveau dabei heraus. Ein „frischer“ Salat ein-, zweimal die Woche als Beilage macht noch keine gute Ernährung.
In einem Zeitungsartikel klagt eine Gemeinde, sie hätte Millionen in den Bau der Schulmensen investiert, und jetzt würde das Angebot von den Kindern nicht genutzt. Angeblich seien die Qualität in Ordnung und die Abwechslung gegeben. Trotzdem wird das Angebot nicht angenommen. Belegte Brötchen, die würden gern genommen, aber warmes Essen in der Mittagspause? Fehlanzeige. Jetzt konnte man das leidlich schmeckende Einheitsangebot der Großküchen dafür verantwortlich machen. Die meisten Gerichte werden in der gleichen Form für Altersheime und Krankenhäuser gekocht. Das wird auch zum Teil stimmen, jedoch sind die Kinder aus meiner Erfahrung weniger auf Qualität aus. Auch das Geld ist es nicht, immerhin gehen viele lieber in den Supermarkt oder das Fast-Food-Restaurant um die Ecke, um dort zu essen. Hier zeigt sich wieder, dass Kinder Essen ganz anders wahrnehmen als Erwachsene. Für sie ist das, was ums Essen herum passiert, viel wichtiger. Ein schönes Beispiel, wie sehr erwachsene Vernunftentscheidungen, meist noch durch Experten gestützt, schlicht und einfach danebenliegen.
Ein weiteres Beispiel für erwachsene Fehlplanung im Bereich „Kinder und Essen“:
Hauswirtschaftsunterricht (heute: Verbraucherbildung) ist aus meiner Sicht in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts stehengeblieben. Fertigmischungen, Aufbacken, Konserven. Kochen und sensorische Schulung beim Umgang mit Lebensmitteln? Fehlanzeige! Im Gespräch mit Lehrerinnen (in diesem Bereich arbeiten so gut wie keine Männer) zeigt Erschreckendes. So manche
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