Getäuscht - Thriller
1&2. Zutritt nur für Personal« entdeckte. Sie folgte der parallel zur Küste verlaufenden Zufahrtsstraße. Ihr Blick schweifte zu dem hohen Felsen, auf dem sie zwei Nächte zuvor ihren Wagen geparkt hatte. Dann erschien der äußere Sicherheitszaun mit dem Wachposten in der Mitte am Ende der Straße. Emma bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte und ging vom Gas. Links und rechts neben der Straße standen zwei gepanzerte Truppentransporter mit Maschinengewehren. Soldaten behielten die Straße wachsam im Auge.
Kühl und diszipliniert suchte Emma nach möglichen Gründen für diese erhöhten Sicherheitsmaßnahmen: Hatte Pierre Bertels herausgefunden, dass sie nicht Anna Scholl, sondern eine Betrügerin war? Hatte die britische Polizei Russells Informanten aufgespürt? War Papis Plan im Kreml aufgeflogen, und er hatte alles zugeben müssen?
Was es auch sein mochte, es lief auf ein und dasselbe Ergebnis hinaus: Die Operation war geplatzt.
Äußerlich gelassen, ja kaltblütig spielte Emma in Gedanken jede dieser Möglichkeiten durch und verwarf sie am Ende: Erstens, Pierre Bertels war so scharf darauf gewesen, sie ins Bett zu kriegen, dass er wohl kaum ihre Identität in Frage gestellt hatte. Ihre Anna-Scholl-Tarnung war also noch nicht aufgeflogen. Zweitens, auch wenn die britische Polizei tatsächlich Russells Informanten aufgespürt hatte, konnte sie von ihm nicht mehr in Erfahrung gebracht haben als Russell. Russell hatte lediglich gewusst, dass in Kürze ein Anschlag auf ein Kernkraftwerk stattfinden würde, aber der genaue Ort war unbekannt. Der Anschlag konnte überall stattfinden. Und selbst wenn Papis Feinde in Moskau hinter seinen Plan gekommen waren, würden sie nicht wissen, wie sie reagieren sollten. Sie würden handlungsunfähig sein.
Emma betrachtete die Militärfahrzeuge. Ihr wurde klar, dass die erhöhte Sicherheitsstufe eine Reaktion auf die gestohlenen Laptops war. Im Grunde waren die gepanzerten Wagen ohne zusätzliche Truppen der Beweis, dass der Plan eben nicht aufgeflogen war: Wenn jemand herausgefunden hätte - oder auch nur vermuten würde -, dass La Reine das Zielobjekt war, würden nicht zwei, sondern mindestens zwanzig gepanzerte Truppentransporter am Eingangstor bereitstehen, dazu eine Brigade bis an die Zähne bewaffneter Soldaten.
Kurz entschlossen gab Emma wieder Gas.
Sie fuhr an den gepanzerten Fahrzeugen vorbei und hielt direkt neben dem Wachposten. »Anna Scholl«, sagte sie und hielt dem Wachmann ihre Ausweise hin. »Internationale Atomenergieorganisation.«
»Sind Sie angemeldet?«
»Ich mache eine Blitzinspektion. Fragen Sie bei Monsieur Grégoire nach, dem Sicherheitschef.«
»Einen Moment bitte«, sagte der Wachmann mit größerem Misstrauen, als Emma lieb war. Er verschwand mit dem Ausweis, der am Tag zuvor von der Internationalen Gesellschaft für Nukleare Sicherheit ausgestellt worden war, in seinem Wachhaus und telefonierte mit der Sicherheitszentrale im Hauptgebäude. Emma schaute nach links. Der Soldat am Maschinengewehr auf dem Dach des Panzerwagens starrte sie hinter seiner Spiegelglassonnenbrille unverwandt an. Emma senkte grüßend den Kopf, lächelte aber nicht. Der Soldat ließ sie keine Sekunde aus den Augen.
Die Minuten verstrichen. Emma hob die Hand auf dem Schaltknüppel ein wenig an und versuchte, sie ruhig zu halten. Ihre Finger zitterten kein bisschen. Dann endlich tauchte der Wachmann wieder auf. »Fahren Sie bitte dreihundert Meter weiter und parken Sie Ihren Wagen links auf dem Besucherparkplatz. Sie werden im Sicherheitsgebäude erwartet. Monsieur Grégoire ist noch nicht da, aber einer seiner Mitarbeiter wird sich um Sie kümmern.«
»Das hoffe ich sehr.« Emma schob den Ausweis zurück in ihre Handtasche, wartete, bis das Tor geöffnet wurde, und fuhr dann langsam bis zum Besucherparkplatz. Auf ihrer Fahrt erhaschte sie einen Blick auf die Unterkünfte der Sicherheitstruppe, die links von ihr lagen. Außer den üblichen Jeeps und Lastern sah sie nur einen einzigen Polizeiwagen, der vermutlich dem Dorfgendarm gehörte. Ein weiterer Beweis, dass niemand von dem geplanten Anschlag in La Reine Wind bekommen hatte.
Emma stellte ihren Wagen ab und ging mit schnellen Schritten zum Sicherheitsgebäude, wies sich erneut mit den gefälschten Papieren aus und legte die Hand auf einen biometrischen Scanner. Der Scanner bestätigte, dass sie Anna Scholl war. Emma wurde zu einem Metalldetektor geführt. Sie musste die Handtasche auf ein Laufband legen, um
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