Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
um ihr zu helfen.
»Jerome!«, stieß sie hervor. »Er ist auf dem Schiff. Er hat auf dem Deck mit mir gesprochen.«
Sie zitterte immer noch und schwitzte. Sam half ihr auf die Füße und gab ihr ein Glas Wasser. Dann führte er sie aus dem Badezimmer zum Bett, setzte sie darauf, kauerte sich vor ihr auf den Boden und blickte ihr ins Gesicht. »Was ist denn passiert? Hat er dir weh getan?«
»Er hat mich nicht angerührt«, antwortete Grace, und plötzlich kam ihr das Ganze unwirklich vor. »Er hat nur mit mir gesprochen ... hat etwas über sein Boot gesagt, die Baby.« Ihre Augen waren vor Angst weit aufgerissen. »Und dann hat er nach Joshua gefragt ...«
»Was hat er gesagt?« Sams Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Heiße Wut loderte in ihm auf, vermischt mit Angst.
»Er hat nur gesagt: ›Wie geht es deinem Kleinen?‹ Da bin ich weggerannt.«
»Aber vorher hast du ihn gesehen?«
»Nur einen Schatten in der Dunkelheit. Genau gesehen habe ich ihn nicht. Aber es war seine Stimme, da bin ich ganz sicher.«
Sams Gedanken überschlugen sich, und er versuchte, Ordnung hineinzubringen. »Hätte es eine Bandaufzeichnung seiner Stimme sein können?«
»Ja, möglich.« Grace atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen. »Aber selbst wenn es so wäre, würde das bedeuten, dass Jerome noch am Leben ist und seine verrückten Spielchen treibt, nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Sam ratlos.
Er erhob sich und ging zum Telefon.
»Wie konnte er wissen, dass ich einen Spaziergang mache?«, fragte Grace.
»Keine Ahnung.« Sam zuckte die Achseln.
»Er muss gewartet und uns beobachtet haben ...« Bei der Vorstellung wurde Grace schon wieder übel. »Wahrscheinlich hat er uns während der gesamten Reise im Auge behalten.«
Sam griff nach dem Telefon, drückte die Taste für die Gästebetreuung und wartete.
»Ich muss den Kapitän sprechen«, sagte er.
95
Der Kapitän war nicht erreichbar. Außerdem sei er sowieso nicht der richtige Ansprechpartner, teilte man Sam mit.
Der zuständige Mann war vielmehr der Chef des Sicherheitsdienstes der Stardust, Arlo Larsen, ein Mann um die fünfzig, schlaksig und bebrillt. Bei seinem Anblick musste Grace an James Stewart denken. Larsen kam ihr ein wenig zu umgänglich und zu gelassen vor, als dass er so effektiv hätte sein können, wie sie es gern gehabt hätte. Wahrscheinlich war Larsen eher gewöhnt, sich mit Diebstahlsdelikten und kleinen Betrügereien zu befassen anstatt mit den Sichtungen mutmaßlich toter Psychopathen.
»Wenn dieser Mann um zwei Uhr heute Morgen an Bord war«, erklärte Larsen ihnen in seinem Büro in der Passagierbetreuung auf dem fünften Deck, »dann ist er jetzt immer noch auf der Stardust. Und das bedeutet, dass wir die Möglichkeit haben, ihn zu finden, bevor er von Bord geht.«
Ein Foto von Jerome Cooper lag auf seinem Schreibtisch. Es war dem Schiff von einem Beamten gefaxt worden, der daheim in South Beach Nachtdienst schob, nachdem Sam ein dringendes Satellitentelefonat mit Mike Alvarez geführt und der Sergeant anschließend persönlich mit Larsen gesprochen hatte, um ihm zu bestätigen, dass Beckets Dienstmarke echt und der alte Fall ernst war.
»Sie dürfen nicht vergessen, dass wir hier über einen ausgewachsenen Psychopathen und Kindesentführer sprechen«, erinnerte Sam ihn.
»Das ist mir klar, Detective Becket«, erwiderte Larsen. »Und ich weiß auch, dass der Vorfall nicht minder ernst ist, falls sich herausstellen sollte, dass es sich bei der Stimme, die Sie gehört haben«, er blickte Grace an, »um eine Bandaufzeichnung gehandelt hat.«
»Sie müssen das Schiff durchsuchen«, drängte Sam. »Ob nun nach Cooper oder nach einem Tonbandgerät mit seiner Stimme.«
»Das wird geschehen sobald alle Passagiere von Bord gegangen sind«, erwiderte Larsen.
»Und bis dahin?« Der Frust schürte Sams Wut nur noch mehr. »Wollen Sie diesen Irren ungehindert an Bord herumspazieren lassen?«
»Natürlich nicht«, antwortete Larsen. »Aber Sie wissen doch besser als irgendjemand sonst, Detective, dass wir ohne entsprechenden richterlichen Bescheid keine Durchsuchung von Personen oder persönlichem Eigentum vornehmen dürfen.«
»Wenn es ein Tonband war«, sagte Grace, »wurde es bestimmt schon über Bord geworfen.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung.« Hinter den Brillengläsern funkelten Larsens blaue Augen. »Aber das gilt nicht für den Mann, denn nach meiner Erfahrung pflegen Menschen, die weiterleben wollen, nicht von
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