Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
sagte er.
»Doch, das muss ich«, erwiderte sie.
Auf den Ring zu blicken, stimmte ihn traurig, denn es machte das Ende ihrer Beziehung zu einer greifbaren Realität.
»Eines solltest du wissen«, sagte Jessica. »Es betrifft deinen guten Freund Sam.«
»Was sollte ich da wissen?«
»Dass er versucht hat, sich an mich heranzumachen«, sagte sie. »Mehrmals.«
»Lügnerin«, zischte Martinez. »Du dreckige kleine Lügnerin.«
Er umklammerte den Ring fest mit der Hand und warf ihn dann mit so viel Kraft gegen die Wand, wie er aufbringen konnte. Der Ring prallte gegen ein altes Gemälde, das einen kleinen kubanischen Jungen zeigte. Dieses Bild war eines der Lieblingsstücke seiner Mutter gewesen.
»Cathy hat mir auch nicht geglaubt«, sagte Jessica.
»Du hast ihr das gesagt?« Er konnte es nicht fassen. »Du verdammtes Biest.«
»Bin ich das? Ich habe immer versucht, genau das nicht zu sein. Ich habe immer versucht, gut zu den Menschen zu sein.«
Schlagartig erinnerte Martinez sich wieder an all diese guten Dinge, die sie stets für andere Menschen tat, an all die Liebenswürdigkeiten und Gefälligkeiten und die Überstunden, um Kollegen aus der Patsche zu helfen. Niemals wollte sie dafür gelobt werden, sorgte aber stets dafür, dass jeder davon erfuhr. Und dann fiel ihm plötzlich auf, wie oft sie zur Stelle war, wenn bei anderen etwas schiefging, wie bei der Frau vom Revier, die sich den Knöchel gebrochen hatte. Jessica hatte alles für sie getan ...
»Du gehst jetzt besser, Jessica.«
Seine Wut war nun ganz verflogen, nur die Traurigkeit blieb.
»Wirst du mich vermissen?«, fragte sie ihn.
»Ich werde die Frau vermissen, für die ich dich gehalten habe«, erwiderte er.
»Mich aber nicht, oder?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er und schüttelte den Kopf.
»Ich werde dich vermissen, Al«, sagte sie.
Martinez zuckte mit den Achseln. »Du kannst dir ja jederzeit ein paar neue Ratten anschaffen.«
»Nein.« Jessica schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt alles vorbei.«
»Weil sie mich krank gemacht haben?« Ein kleiner Hoffnungsschimmer flackerte in ihm auf.
»Klar«, antwortete sie. »Und weil jetzt alles verdorben ist. Es wäre nicht mehr das Gleiche.«
»Warum hast du das Notizbuch hergebracht? Warum hast du es nicht in deiner Wohnung gelassen? Ich wäre nie dahintergekommen.«
»Ich dachte, Sam oder die Leute von der Gesundheitsbehörde würden vielleicht in meine Wohnung gehen.« Sie stockte. »Und ich hatte nicht damit gerechnet, dass du meine Sachen durchsuchst, Al. Ich dachte, du wärst ein Gentleman.«
»Tja, da hast du mich offenbar falsch eingeschätzt.«
»Vielleicht schätzt du Sam auch falsch ein«, gab sie zurück.
»Mach, dass du rauskommst.« Auf einmal war ihm übel.
»Lebwohl, Al«, sagte sie.
Und ging.
Und damit war er wieder ganz allein in seiner Junggesellenbude.
Nachdem sie fort war, hatte er einen genaueren Blick auf das alte Gemälde seiner Mutter geworfen, hatte gesehen, dass einer der kleinen Steine des Verlobungsringes die Leinwand an einer Stelle leicht eingerissen hatte, und das hatte ein paar Tränen zur Folge gehabt. Aber es hatte nicht lange gedauert, und jetzt hatte Al die Fassung wiedererlangt.
Sam und Grace würden bald zurück sein; deshalb nahm er an, dass sie ihn besuchen würden.
Was Jessica über Sam gesagt hatte - dass er sich an sie herangemacht habe -, war eine Lüge, da hatte er nicht den Hauch eines Zweifels.
Martinez wusste, dass Sam so etwas in tausend Jahren nicht getan hätte.
Nur fragte er sich, was es über ihn aussagte, dass er sofort bereit war, seinem Freund zu glauben, nicht aber seiner Verlobten.
Oder um es noch genauer auf den Punkt zu bringen: Was sagte das über seine Beziehung zu Jessica aus?
Nicht gerade viel, so viel war sicher.
97
Als Sam endlich nach Hause kam, war der Tag fast vorbei.
So hatte er ihre Heimkehr nicht geplant. Zuerst waren er und Grace gemeinsam zum Revier gefahren, zum einen, damit Sam sich hinsichtlich der Ermittlungen auf den neuesten Stand bringen konnte - nichts Neues, hatte Alvarez erklärt und ihm gesagt, schnell wieder Feierabend zu machen und nach Hause zu fahren, solange er das noch konnte -, vor allem aber, weil sie einen offiziellen Bericht darüber abgeben mussten, dass Cooper allem Anschein nach noch am Leben und möglicherweise in der vergangenen Nacht auf der Stardust gewesen war.
Dann waren sie nach Golden Beach gefahren, um David und Mildred einen kurzen Besuch abzustatten und
Weitere Kostenlose Bücher