Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
Hause zu sein. Ich gehe lieber ins Büro.« Sie sah, dass die beiden Männer zögerten. »Ich weiß, es ist Sonntag. Ich will auch nicht arbeiten, ich will einfach nur da sein. Ich habe Rachel bereits angerufen ... Rachel Weinman, eine der Seniorpartnerinnen.«
»Das ist uns bekannt«, erwiderte Sam. »Wir machen uns gleich auf den Weg zu ihr.«
»War es verkehrt, dass ich es ihr gesagt habe?« Die Augen hinter ihren Brillengläsern sahen auf einmal verängstigt aus.
»Natürlich nicht«, beruhigte Sam sie. »Sie brauchen sämtliche Unterstützung, die Sie bekommen können.«
»Da wäre nur noch eine Frage, Ma'am«, sagte Martinez.
»Michelle«, erwiderte sie. »Bitte. Und fragen Sie mich, was Sie wollen. Stellen Sie mir so viele Fragen, wie Sie müssen. Ich möchte unbedingt helfen.«
»Haben Ihre Freunde gern griechisch gegessen?«
»Ja«, antwortete sie. »Hin und wieder.« Plötzlich schien sie zu erfassen, welcher Sachverhalt sich hinter dieser Frage verbarg, und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen der Trauer und des Schmerzes.
»Unser aufrichtiges Beileid«, sagte Martinez zu ihr.
Mehr konnten sie nicht tun.
Der Empfangsbereich der Kanzlei Tiller, Valdez und Weinman war von erlesener Exklusivität und flößte Vertrauen ein - bis es, wie Sam vermutete, ans Bezahlen ging.
Die beiden Chefs erwarteten sie bereits mit ernster, feierlicher Miene. Als Michelle Webster ihrer ansichtig wurde, brach sie wieder in Tränen aus. Rachel Weinman, eine stämmige Dame mit grauem Kurzhaarschnitt, die einen anthrazitfarbenen Hosenanzug und eine schwarze Bluse trug, schloss die jüngere Frau in die Arme, während Victor Valdez - groß und schlank und in einem eleganten dunklen Anzug - Michelle die Schulter tätschelte und Sam und Martinez erklärte, dass ihr Partner, Stephen Tiller, sich derzeit in Berlin aufhielte.
»Er ist allerdings erreichbar, falls Sie mit ihm sprechen müssen«, fügte Weinman hinzu. »Ich habe seine Telefonnummer. Er kann Sie auch anrufen, wenn Sie möchten.«
»Ich nehme an, dass Sie in dieser Phase der Ermittlungen vordringlich mit Elizabeths und Andrés Kollegen sprechen müssen«, sagte Valdez, »was vor morgen leider kaum zu arrangieren ist.«
»Das ist früh genug«, erwiderte Sam.
»Ich habe vorsichtshalber schon mal Kopien ihrer Personalakten für Sie gemacht«, fuhr Weinman fort. »André war Kanadier, wie Sie vermutlich schon wissen, war aber Mitglied der Anwaltskammer des Bundesstaates Florida.«
»War.« Michelle erschauderte.
»Es ist entsetzlich«, pflichtete Weinman ihr bei.
»So wunderbare junge Menschen.« Valdez schüttelte den Kopf. »Sie hatten große Karrieren vor sich.«
»Sie hatten ein Leben vor sich«, fügte Weinman hinzu.
Auch in ihren Augen standen jetzt Tränen.
Als die Detectives wieder im Wagen saßen, kamen sie überein, dass die Rechtsanwälte anständige Leute waren. Es hatte Sam gefallen, wie sie es arrangiert hatten, dass die Prices abgeholt wurden und dass beide so taktvoll mit der fassungslosen jungen Frau umgegangen waren, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Außerdem hatte die Kanzlei dafür gesorgt, dass für Edward und Margie Price die Aventura-Firmenwohnung hergerichtet wurde für den Fall, dass sie sonst nirgendwo unterkommen konnten.
»Und es sieht so aus, als wären die Opfer auch hier wieder ein nettes junges Paar gewesen«, sagte Martinez.
Über Feinde oder rachsüchtige Mandanten war nach Aussage der Chefs nichts bekannt.
»Sieht so aus«, meinte Sam.
»Verdammt deprimierend«, stöhnte Martinez.
37
Nachdem sie den Durchsuchungsbefehl hatten, schauten sie sich zusammen mit den Kollegen von der Spurensicherung Elizabeth Price' Reihenhaus an.
Falls man das Paar gemeinsam entführt hatte, war dies hier der wahrscheinlichste Ort, an dem die Entführung stattgefunden haben konnte, weil ihre beiden Wagen hier noch standen. Die Spurensicherung widmete der Garage und dem Zugang, der von dort ins Haus führte, deshalb auch besondere Beachtung. Wie immer wurden zuerst Indizien gesammelt und Fotos geschossen. Chemikalien wurden vorerst nicht an den möglichen Tatort gebracht. Die Techniker, die die Fingerabdrücke nahmen, warteten, bis ihre Kollegen sich einen ersten Eindruck verschafft hatten.
Michelle Webster hatte man die Fingerabdrücke abgenommen, um sie als Verdächtige ausschließen zu können, aber niemand rechnete damit, auf etwas Offensichtliches zu stoßen. Sie hofften allerdings, dass sie mit einem weiteren
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