Getrieben - Durch ewige Nacht
Handgelenke und schob sie von sich. »Nein.«
Kirra wich zurück und starrte auf seine Brust. Einen Moment lang blieben sie so stehen. Reglos. Schweigend. Kirras Stimmung flammte auf wie Zunder, feuerrot und glühend heiß. Dann witterte Perry ihre Entschlossenheit, ihren Willen, wieder die Kontrolle über sich zu erlangen, während sie immer kälter und kälter wurde und schließlich fast zu Eis erstarrte.
Plötzlich hörte Perry ein Bellen auf dem Strandweg. Er hatte Flea völlig vergessen und auch den heraufziehenden Sturm. Und für eine Sekunde hatte er auch vergessen, wie es sich anfühlte, verlassen zu werden.
Aber seltsamerweise fühlte er sich jetzt vollkommen ruhig. Ganz gleich, ob Aria Hunderte von Kilometern entfernt war, ob sie ihn verletzt oder sich nicht verabschiedet hatte – nichts würde etwas an seinen Gefühlen für sie ändern. Weder seine Versuche, nicht an sie zu denken, noch Kirras Gegenwart. Der Moment, als Aria auf Marrons Dach seine Hand genommen hatte, hatte alles verändert. Was auch geschehen mochte, sie würde immer die Einzige für ihn sein.
»Es tut mir leid, Kirra. Ich hätte nicht herkommen sollen.«
Kirra zog die Schultern hoch. »Ich werde es überleben.« Sie wandte sich zum Gehen, hielt dann jedoch inne. Lächelnd drehte sie sich um. »Aber du solltest wissen, dass ich immer bekomme, was ich will.«
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Aria
| Kapitel Vierunddreißig
Aria war schon einmal geflogen, in den Welten. Es war herrlich, schwerelos und sorglos dahinzusegeln, als wäre man ein Teil des Windes. Aber das hier war etwas völlig anderes. Das hier war schrecklich, beängstigend und schnürte ihr die Kehle zu. Der Snake River kam unaufhaltsam näher, und Aria wurde nur von einem einzigen Gedanken beherrscht:
Halt dich an Roar fest
.
Dann traf sie auf das Wasser auf, das hart war wie Stein, und alles geschah gleichzeitig: Sämtliche Knochen in ihrem Körper wurden zusammengestaucht, Roar wurde aus ihrer Umklammerung gerissen, und eine tiefe Dunkelheit umschlang sie, löschte sämtliche Gedanken in ihrem Kopf. Aria wusste nicht, ob sie noch existierte, noch
lebte
, bis sie das flackernde Ätherlicht sah, das sie an die Oberfläche lotste.
Ihre Glieder lockerten sich, und sie begann zu strampeln, kämpfte sich durch das Wasser. Schneidende Kälte drang in ihre Muskeln und ihre Augen. Sie war zu schwer, zu langsam. Ihre Kleider hatten sich voll Wasser gesogen und zogen sie in die Tiefe. Sie spürte den Riemen ihres Beutels, der sich um ihre Taille geschlungen hatte. Aria packte ihn und schwamm nach oben, aber jeder Zug war zäh, als kämpfte sie sich durch Schlamm. Endlich durchbrach sie die Wasseroberfläche und schnappte keuchend nach Luft.
»Roar!«, krächzte sie und suchte das Wasser um sie herum ab. An der Oberfläche wirkte der Fluss vollkommen ruhig, aber die Strömung war ungeheuer stark.
Aria füllte ihre Lungen mit Luft, tauchte hinab und suchte verzweifelt nach Roar. Sie konnte nur wenige Meter weit sehen, doch plötzlich entdeckte sie ihn. Er trieb ganz in ihrer Nähe, mit dem Rücken zu ihr.
Aber er schwamm nicht.
Panik erfasste sie. Sie hatte ihn über die Balkonbrüstung gezogen.
Wenn sie ihn getötet hatte …
Wenn er nicht mehr lebte …
Sie erreichte ihn, packte ihn unter den Armen und zog ihn hinauf. Endlich durchbrachen sie die Wasseroberfläche, aber jetzt musste Aria noch heftiger strampeln. Roar schien eine halbe Tonne zu wiegen; er hing schlaff in ihren Armen und zog sie wieder nach unten.
»Roar!«, keuchte sie und hatte Mühe, ihn über Wasser zu halten. Die Kälte war schlimmer als alles, was sie je erlebt hatte, und stach wie tausend Nadeln in ihre Muskeln. »Roar, hilf mir!« Sie schluckte Wasser und begann zu husten. Gemeinsam sanken sie in die Tiefe, fielen weiter und weiter.
Da sie unter Wasser nicht sprechen konnte, streckte Aria eine Hand aus und tastete hektisch an Roar herum, bis sie die nackte Haut in seinem Nacken berührte.
Roar, bitte, ich schaff es nicht ohne dich!
Ruckartig schoss er hoch, als sei er aus einem Albtraum erwacht, und wand sich aus ihren Armen.
Aria tauchte auf und spuckte Flusswasser, rang nach Luft.
Roar schwamm von ihr fort. Offenbar verlor sie den Verstand, denn er würde sie doch niemals im Stich lassen. Dann sah sie, wie ein dunkler Gegenstand auf sie zutrieb. Eine Sekunde lang glaubte sie tatsächlich, es sei Sable, der sie verfolgte, aber dann erkannte sie, dass es sich um ein Stück Treibholz handelte. Roar hatte sich
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