Getrieben - Durch ewige Nacht
Kirra.
»Schon gut.«
Überrascht zog Kirra eine Augenbraue hoch. »Wirklich?«
Perry wollte ihre Frage bestätigen, wollte nicht als ein Narr dastehen, der sein Herz an ein Mädchen verschenkt hatte, das ihn verlassen hatte. Er wollte sich nicht länger schwach fühlen.
Er schwieg, aber Kirra kam trotzdem näher. Näher, als sie eigentlich sollte. Er konnte die Konturen ihres Körpers und das Lächeln auf ihren Lippen nicht länger ignorieren.
Als sie seinen Arm berührte, zuckte er zusammen, obwohl er damit gerechnet hatte. Ihre Hand glitt hinab zu seinem Handgelenk, zog sanft daran und löste seine Arme aus der Verschränkung. Dann drängte sie noch näher, schlang sich seine Arme um den Körper und schloss die Lücke zwischen ihnen.
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Aria
| Kapitel Zweiunddreißig
»Olivia, was tust du mir nur an?« Roar sprach leise und drängend, während er Liv tief in die Augen schaute. »Wie konntest du nur hierherkommen?«
»Es tut mir leid, Roar. Ich dachte, ich könnte den Tiden damit helfen. Ich dachte, ich könnte es durchziehen, könnte dich verlassen.«
Während sie sprach, küsste Roar ihre Wangen, ihr Kinn, ihre Stirn. Aria stürmte auf den Balkon, vorbei an dem Hochzeitskleid, das neben der geöffneten Tür hing, bis ihre Beine gegen die niedrige Brüstung stießen. Ihre Finger umfassten den kalten Stein, und sie starrte hinunter auf das dunkle Wasser in der Tiefe.
Sie wollte nicht zuhören, wollte die beiden nicht belauschen, aber ihr Gehör war zu fein – zumal Adrenalin durch ihre Adern strömte und ihre Wahrnehmung noch verschärfte.
»Ich habe mich geirrt. Und wie ich mich geirrt habe!«, drang Livs Stimme an ihr Ohr.
»Schon gut, Livy. Ich liebe dich. Egal, was auch passiert. Ich werde dich immer lieben.«
Dann war es still, und Aria hörte nur den Wind, der über den Balkon strich, und den stoßweisen, aufgeregten Atem der beiden. Sie schloss die Augen, denn ihr Herz schlug schneller und schneller, und sie konnte Perrys Arme beinahe um ihren Körper spüren. Wo war er jetzt? Ob er gerade auch an sie dachte?
Ein paar Sekunden später tauchten Roar und Liv mit funkelnden Augen auf dem Balkon auf. Livs Halbschwert ragte hinter ihrer Schulter hervor. Über der anderen trug sie ihren Beutel und Arias Umhängebeutel.
»Ich hatte vor, dich heute Nacht zu holen«, erklärte sie und reichte ihr den Lederbeutel. Dann kramte Liv das Smarteye aus ihrem Beutel hervor. »Sable hatte es in seinem Zimmer versteckt. Ich hab mich reingeschlichen, als er schlief. Und da ich die Fichtennadeln schon vorher gerochen hatte, fand ich es sofort.« Sie gab es Aria. »Hier. Setz es schnell auf.«
Aria schüttelte den Kopf. »Jetzt?« Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die beiden Wachen vermisst wurden. »Wir müssen von hier weg.«
»Du musst es sofort versuchen, Aria«, forderte Liv. »Sable wird uns verfolgen, wenn wir es mitnehmen.«
»Er wird dich auch so verfolgen, Olivia«, wandte Roar ein. »Wir müssen verschwinden.«
»Nein, das wird er nicht«, widersprach Liv. »Wenn wir nicht in Erfahrung bringen, wo die Blaue Stille ist, können wir Talon nicht befreien.«
Es blieb keine Zeit für lange Diskussionen. Aria brachte das Eye an, und sofort erschien ihr Smartscreen. Sie wählte das Phantom-Icon. Soren würde wissen, ob Sable und Hess über die Blaue Stille gesprochen hatten. Sie wartete darauf, dass sie sich in die Oper bilokalisierte. Aber das geschah nicht. Stattdessen erschienen zwei Icons, die einfache Zeitzähler darstellten: Soren hatte ihr die Aufzeichnungen hinterlassen.
Aria wählte die mit der kürzeren Laufzeit und wurde mit jeder Sekunde, die verging, nervöser. Roar war in Livs Zimmer zurückgekehrt und horchte an der Tür auf Geräusche aus dem Gang.
Auf ihrem Smartscreen zeichnete sich ein Bild ab. Sie sah eine improvisierte Welt, einen nackten Raum, dessen Dunkelheit nur durch einen einzigen Strahler an der Decke durchbrochen wurde. Sable stand auf der einen, Hess auf der anderen Seite, die Konturen ihrer Gesichter durch Licht und Schatten deutlich hervorgehoben.
Hess hatte seine offizielle, marineblaue Konsuluniform mit reflektierenden Besätzen an Ärmeln und Kragen angelegt. Er stand steif und kerzengerade da, die Hände flach an den Seiten seiner Oberschenkel. Sable trug ein eng anliegendes, schwarzes Hemd und schwarze Hosen und um den Hals die funkelnde Kriegsherrenkette. Er hatte eine entspannte Haltung eingenommen und die Augen amüsiert zusammengekniffen. Der eine
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