Getrieben: Thriller (German Edition)
musste all ihre Kraft aufwenden, um sie bis zum Ausgang des Zelts zu schleppen. Die Hubschrauber waren jetzt ganz nah, und obwohl der Wind den Schnee fast horizontal über den Berghang fegte und lautstark an der Zeltplane riss, konnte sie das unverkennbare Knattern deutlich hören. Doch es war unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung sie kamen. In den Bergen waren Geräusche immer schwer zu lokalisieren. Auf jeden Fall waren die Soldaten ihnen dicht auf den Fersen.
Trotzdem wollten ihre Beine sie einfach nicht aus dem Zelt hinaus in die sichere Höhle tragen. Stattdessen drückte das Gewicht der Bombe sie zu Boden. Einen Moment lang dachte Emma daran, den Sprengkopf einfach in den Schnee zu legen und sich draufzusetzen. Sie würde so gut wie nichts spüren, wenn die MG-Salven sie durchsiebten. Ihr Leben wäre einfach vorbei. Der Tod war nicht immer die schlechteste Alternative. Die Soldaten würden die Bombe bergen und in Sicherheit bringen. Mit ihrem letzten Auftritt würde sie Tausenden von Menschen das Leben retten und unendlich viel Leid verhindern.
Doch dann dachte sie an den Verrat und das Unrecht, das ihr widerfahren war, und an die Verantwortlichen, die auch nicht davor zurückschrecken würden, anderen genauso übel mitzuspielen. Balfour und das Geld, das er ihr schuldete, kamen ihr in den Sinn. Und dann waren da auch noch sie selbst und das, was die Zukunft für sie bereithielt.
Ächzend zerrte sie die Bombe hoch und schleppte sie durch den Schnee bis zu der sicheren Höhle. Auf dem Weg richtete sie immer wieder den Blick nach oben zum Himmel. Die Hubschrauber flogen jetzt so dicht über ihrem Kopf, dass sie die Vibration der Rotoren spüren konnte.
39.
Das Grand Hotel Park stand auf einer bewaldeten Anhöhe. Es war ein riesiges Chalet mit Balustraden aus dunklem Kiefernholz und zauberhaft glitzernden Lichtern unter den schneebedeckten Dächern und gehörte zu den Fünf-Sterne-Luxushotels von Gstaad. Die Neureichen stiegen vor allem im Palace ab. Die Superreichen bevorzugten das Park Hotel.
»Bist du dir sicher, dass er keine Begleitung dabeihat?« Danni hockte auf dem Beifahrersitz des Vans und musterte die festlich erleuchtete Frontseite des Hotels. »Auf unangenehme Überraschungen kann ich liebend gerne verzichten.«
Markus von Daeniken reichte ihr eine Kopie des Anmeldeformulars. »Dr. Michel Revy. Eine Person. Keine Frau. Keine andere Begleitung. Kein Hund.«
Danni zog einen schwarzen Pulli über ihr Kleid und tauschte die High Heels gegen bequeme Schuhe mit Kreppsohle. »Bist du wirklich sicher, dass das Ding auch hält?«, erkundigte sie sich, während sie sich Kletterhandschuhe über die Hände streifte.
Von Daeniken warf ihr von der Seite einen Blick zu.
Zum Schluss stopfte Danni ihre Haare unter eine Rollmütze. »Warte, bis ich zurückkomme.«
»Ich bin Polizist, kein Taxifahrer.«
»Sei ein guter Junge und tu einfach, was ich dir gesagt habe, Markus.«
Mit diesen Worten stieg sie aus dem Wagen und rannte durch das Wäldchen bis zum Hotel. Die Sicherheitsstandards in Luxushotels waren hoch. Bei nur neunundneunzig Zimmern war die Gästeliste im Park überschaubar, und das Hotelpersonal war darauf trainiert, die Gäste zu kennen. Unangenehme Fragen konnte Danni nicht riskieren.
Als sie die Südseite des Hotels erreicht hatte, packte sie eine der Regenrinnen und rüttelte mit beiden Händen daran. Das Ding saß bombenfest, so wie man es von der Schweiz erwarten konnte. Bestimmt gab es in diesem Land auch einen staatlich geprüften Regenrinnen-Inspektor. Geschickt kletterte sie an der Rinne hoch bis zum ersten Stock. An der Stelle, wo Danni sich befand, gab es keinen Balkon, nur ein großes Doppelfenster mit Blick auf den Wald. Von Daeniken hatte ihr versichert, dass das Fenster nicht verriegelt wäre. Nachdem sie zur Absicherung einen Fuß zwischen Regenrinne und Wand gequetscht hatte, lehnte sich Danni ein Stück zur Seite und schob die Klinge ihres Messers in den Spalt zwischen Rahmen und Fenster. Das Fenster schwang geräuschlos auf. Gelenkig wie eine Turnerin zog sie sich mit einem Fuß und einer Hand auf den Fenstersims hoch und landete kurz darauf mit einem lautlosen Sprung sicher im Hotel.
»Im Gästebereich gibt es keine Überwachungskameras«, hatte von Daeniken ihr gesagt. »Die Besucher des Hotels legen großen Wert auf ihre Privatsphäre. Aber nimm dich in Acht vor dem Reinigungspersonal. Sie lauern an jeder Ecke, wie die Raubvögel.«
Danni brauchte nicht lange, um die
Weitere Kostenlose Bücher