Getrieben: Thriller (German Edition)
beizubringen. Hinter einem professionellen Auftreten ließen sich unangenehme Emotionen gut verbergen, das hatte er schon vor langer Zeit begriffen. »Aber warum sollte sie jemandem wie Balfour helfen? Sie haben doch selbst gesagt, dass Balfour dabei war, als Raschid sie gefoltert hat.«
»Vermutlich war es Balfour, der sie aus der Wüste gerettet hat. Auf diese Weise hat sie sich bei ihm revanchiert. Das Ganze ist mein Fehler. Wir haben sie so tief in unsere Operationen verstrickt, dass sie nicht mehr wusste, wer sie war und wo sie hingehörte. Die Folter hat ihr den Rest gegeben. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es selbst nicht glauben.«
»Ist sie bei Balfour?«
»Keine Ahnung. Wir gehen davon aus, dass sie die Bombe vom Berg geholt und Balfour übergeben hat. Es gibt eigentlich keinen Grund für sie, sich noch länger dort aufzuhalten, aber andererseits hätte ich auch nie gedacht, dass sie das Lager wechseln und für jemanden wie Balfour arbeiten würde.«
Jonathan richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Grundrisspläne. Er musste sich zusammenreißen. Um der Sache und seinetwillen. »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Balfour die Bombe versteckt haben könnte? Auf dem Grundstück, meine ich.«
»Ich gehe nicht davon aus, dass Balfour sie ins Haupthaus gebracht hat. So eine Bombe legt man sich doch nicht unters Kopfkissen. Meine Experten sind der Meinung, dass die Bombe nach all den Jahren unmöglich noch scharf sein kann. Wenn Balfour sie zu einem Spitzenpreis verkaufen will – und davon gehen wir aus –, muss er sie wieder funktionstüchtig machen. Dafür benötigt er eine sichere Werkstatt, in der er die Bombe vor neugierigen Blicken geschützt vorübergehend deponieren kann.«
Jonathan deutete auf zwei Nebengebäude auf dem weitläufigen Gelände, die er für geeignet hielt. In den nächsten zehn Minuten sprachen Connor und er darüber, welche Plätze sonst noch zur Lagerung der Bombe in Frage kämen, mit welchen Sicherheitsvorkehrungen Jonathan in Blenheim rechnen musste, sowie über Balfours Arbeitsgewohnheiten.
Anschließend kramte Connor aus seiner Jackentasche einen kleinen Ersatzkopf für einen Nassrasierer heraus, den er Jonathan auf der ausgestreckten Hand hinhielt. »Der ist für Sie. Hüten Sie ihn wie Ihren Augapfel. Er sieht zwar aus wie eine gewöhnliche Rasierklinge, ist aber in Wirklichkeit ein getarnter USB-Stick. Alles, was Sie tun müssen, ist, den Stick für zehn Sekunden in Balfours Computer zu stecken – ganz gleich, ob Laptop oder Desktop, solange der Computer nur über WLAN oder eine LAN-Verbindung verfügt. Über den USB-Stick wird ein Spionageprogramm auf dem Computer installiert, das uns über alles auf dem Laufenden hält, was Balfour mit diesem Computer anstellt, und sich zudem noch auf allen anderen Computern einnistet, die mit diesem Gerät in Verbindung stehen. Wenn Achilles das Trojanische Pferd in der heutigen Zeit noch einmal bauen würde, dann sähe es vermutlich so aus wie das hier.«
Jonathan nahm ihm den USB-Stick aus der Hand. Bislang hatte er im Hinblick auf die bevorstehende Operation ein ganz gutes Gefühl gehabt. Vor etlichen Jahren hatte er Klettertouren im Hindukusch und im Himalaya unternommen und kannte sich deshalb ganz gut in Pakistan aus. Als Arzt schlüpfte er in die Rolle eines anderen Arztes und musste auch in dieser Hinsicht kaum mit Problemen rechnen. Sogar der Gedanke, in das Allerheiligste von Balfour einzudringen, bereitete ihm nicht sonderlich viel Angst. Er war schon mit viel heikleren Aufgaben konfrontiert worden, und es war ihm bislang immer gelungen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Als Chirurg war er daran gewöhnt, unter Zeitdruck zu arbeiten und dabei mit Argusaugen kontrolliert zu werden.
Es gab nur einen einzigen Knackpunkt.
»Wie soll ich mich verhalten, wenn ich Emma über den Weg laufe?«, erkundigte er sich.
Connor beugte sich vor und legte die Fingerspitzen aneinander. »Versuchen Sie, mit ihr zu sprechen. Finden Sie heraus, warum sie tut, was sie tut. Wenn möglich, bringen Sie sie dazu, Ihnen zu verraten, wo die Bombe ist. Versuchen Sie, sie wieder auf unsere Seite zu ziehen.«
»Und wenn sie damit droht, mich zu verraten?«
Connor zog die Stirn kraus. »Ich fürchte, dann bleibt Ihnen keine andere Wahl, als sie zu töten.«
Jonathan erwiderte nichts. Erstaunlicherweise hatte er nicht das Bedürfnis, Connor zu widersprechen. Er war über den Vorschlag nicht einmal empört. Stattdessen
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