Getrieben: Thriller (German Edition)
warum bist du dann hierhergekommen? Warum tust du das alles?«
»Um zu überleben.«
Etwas in ihren Worten ließ Jonathan aufhorchen. Es klang wie eine Andeutung. So, als ob es noch eine Sache gäbe, die sie zu Ende bringen musste. »Was soll das heißen?«
Emma blickte ihm fest in die Augen. »Komm mit mir, und finde es selbst heraus. Aber du musst mir vertrauen.«
Jonathans Blick wanderte zu ihrem Bauch, der nicht mehr so flach wie zuvor, sondern leicht gerundet war. Ihre Brüste waren tatsächlich voller und runder. Er wollte ihre Wange streicheln, aber sie fing mit einer geschickten Bewegung seine Hand ab und schob sie weg. Eine Welle von Traurigkeit, gepaart mit einem sonderbaren Glücksgefühl, durchströmte Jonathan. »Ich kann nicht«, erwiderte er sanft. »Tut mir leid.«
»Dann bist du ein richtiger Vollidiot.«
Mit diesen Worten schwang sie sich aus dem Bett und verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.
63.
Es war acht Uhr morgens, und in Blenheim herrschte Hochbetrieb. Auf dem Parkplatz standen die Range Rover für ihre morgendliche Wäsche und Politur nebeneinander. Das Wiehern und Schnauben der Pferde, die im Sonnenlicht des frühen Tages aus den Ställen geführt wurden, erfüllte die Luft. Auch im Haus herrschte geschäftiges Kommen und Gehen. Nur um die Werkstatt herum war es auffallend still. Nirgendwo parkten Lieferwagen oder Laster, und auch von den bewaffneten Wachleuten, die Jonathan am Tag zuvor vor dem Eingang gesehen hatte, fehlte jede Spur.
Im ersten Moment vermutete Jonathan, dass der Sprengkopf woanders deponiert worden war. Durch den gestrigen Angriff aufgeschreckt, hatte Balfour keine Zeit verloren und seinen kostbarsten Schatz an einen sicheren Platz gebracht. Doch dann schoss ihm ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf. Gerade wegen des Angriffs hätte Balfour es niemals gewagt, den Sprengkopf aus der Werkstatt zu holen. Der unbewachte und scheinbar leere Bau war ein Täuschungsmanöver. Auf diese Weise versuchte Balfour, die Aufmerksamkeit von dem Gebäude abzulenken. Aus dem Augenwinkel sah Jonathan eine Bewegung, die ihn in seiner Annahme bestätigte. Zwei Scharfschützen lagen auf dem Garagendach auf der Lauer, um die Werkstatt zu bewachen. Eine solche Sicherheitsmaßnahme machte keinen Sinn, wenn sie tatsächlich leer war.
Vom Fenster seines Zimmers im ersten Stock aus verschaffte sich Jonathan einen Überblick über alle Vorgänge auf dem Anwesen. Frisch geduscht und rasiert und mit einem T-Shirt und einer kurzen Sporthose für einen morgendlichen Dauerlauf bekleidet, fühlte er sich seltsam ungeduldig, rachedurstig und beinahe fanatisch dazu entschlossen, das zu tun, was verdammt noch mal nötig war, um seine Aufgabe hier zu Ende zu bringen. Seine eigene Sicherheit und Gesundheit spielten keine Rolle. Er musste alles, was er herausgefunden hatte, an Frank Connor weiterleiten. Ob das der tollkühne Entschluss eines Narren oder das Pflichtgefühl eines werdenden Vaters seinem ungeborenen Kind gegenüber war, konnte er nicht sagen. Nur eines wusste er mit Gewissheit: Abwarten kam für ihn nicht länger in Frage.
Was ihn antrieb, war natürlich das Zusammentreffen mit Emma. Durch ihren Besuch waren viele tot geglaubte Empfindungen in ihm zu neuem Leben erwacht. Vielleicht hatte er sie auch nur für tot erklärt, weil es so einfacher für ihn war. Die verführerischen Allmachtsfantasien des eigenen Egos. Ganz gleich, wie groß ihr Verrat und ihre Verbrechen auch waren, er konnte einfach nicht aufhören, sie zu lieben. Sie war so zerstörerisch wie ein langsam wirkendes Gift, von dem er einfach die Finger nicht lassen konnte. Obwohl er ein disziplinierter Mensch war, brachte sie ihn immer wieder dazu, seine Prinzipien zu verraten. Alles, was sie war und tat, bereitete ihm Qualen. Doch ihre unglaubliche Kompetenz inspirierte ihn auch. Und jetzt hatte sie ihm auch noch mitgeteilt, dass sie von ihm ein Kind erwartete. Schon allein deshalb war er auf Gedeih und Verderb mit ihr verbunden. Sie konnte auf seine Treue zählen, aber nicht länger auf seine Unterstützung hoffen. Wenn er ihr schon in der Liebe hoffnungslos unterlegen war, würde er wenigstens versuchen, sie im Kampf zu übertrumpfen.
Jonathan wandte sich vom Fenster ab und ging zum Ankleidebereich hinüber, wo er eine Platinkarte von American Express aus seiner Brieftasche holte. Auf der Karte stand Michel Revys Name, doch in Wahrheit hatte sie ihm nie gehört. Eigentlich war die Karte einer von Frank Connors
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