Getrieben: Thriller (German Edition)
trotz der gebrochenen Rippen, der Verbrennungen zweiten Grades und der zahllosen Verletzungen an den Hüften, der Schulterpartie und am Rücken noch immer kampflustig erwidert.
»Dank Prinz Raschid dürften die Russen jetzt wissen, dass Sie eine Doppelagentin sind. Sie können also nicht mehr zu ihnen zurück. Und die Amerikaner haben offensichtlich auch kein Interesse mehr an Ihnen.«
»Ach ja? Und was macht Sie da so sicher?«
Balfour hatte sich so dicht über sie gebeugt, dass sie seinen nach Minze duftenden Atem roch und die langen Wimpern bemerkte, die seine Augen zum Glitzern brachten. »Die Patronen, Schätzchen. Raschid hat mir verraten, dass er einen Tipp bekommen hat.«
»Von wem?«
»Spielt das noch eine Rolle?« Balfours abweisender Ton verriet Emma, dass er mehr wusste, als er zugab. »Jemand von Ihren amerikanischen Freunden will Sie abservieren. Dorthin können Sie also auch nicht mehr zurück.«
»Um mich sollten Sie sich keine Sorgen machen«, hatte Emma gekontert und den Kopf zur Seite gedreht, damit Balfour nicht sehen konnte, wie sehr der Verrat sie verletzte. »Ich habe gelernt, ganz gut allein klarzukommen.«
»Zweifelsohne. Aber zuerst müssen Sie mir noch helfen.«
Emma hatte geschwiegen. Natürlich hätte sie ihn zum Teufel jagen können, aber dann musste sie wohl damit rechnen, dass Balfour sie nicht lebend ziehen lassen würde. Im Grunde war die Sache ganz einfach. Sie verdankte Balfour ihr Leben. Dass er sie nur gerettet hatte, weil dies seinen eigenen Zielen förderlich war, änderte nichts an der Tatsache, dass sie ihm einen Gefallen schuldete. Erst später hatte sie begonnen, selbst einen Plan zu schmieden.
»Ich brauche eine Karte«, sagte Emma und versuchte, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Balfour ging mit ihr zu einem runden Tisch in der Mitte des Raums, auf dem eine detailgetreue Karte der Umgebung ausgebreitet war. Eine Stunde lang gingen sie die Operation Punkt für Punkt durch: Bergungsteam, Ausrüstung, Zeitplan. Dabei spürte sie ständig Balfours abschätzenden Blick auf sich ruhen. Ihr war wohl bewusst, dass der Mann in Schwierigkeiten steckte, aber an diesem Nachmittag entdeckte sie eine neue, fast verzweifelte Ungeduld an ihm, so als stünde er ununterbrochen unter Strom.
Für Emma taten sich immer mehr Fragen auf: An wen wollte Balfour den Marschflugkörper verkaufen? Wie viel hatte man ihm dafür geboten? Wo sollte die Übergabe stattfinden? Doch das waren die Fragen einer Agentin, und Emma war klug genug, keine von ihnen zu stellen.
Raschids geheimnisvoller Begleiter kam ihr in den Sinn, jener schweigsame, vermummte Mann, der bewusst abseitsgestanden hatte. Emma wurde klar, dass das keine Vorsichtsmaßnahme des Mannes gewesen war, um nicht zu viel über Raschids Geschäfte zu erfahren. Dem Mann war es vielmehr darum gegangen, zu verhindern, dass Emma und vielleicht sogar Balfour zu viel über ihn in Erfahrung brachten.
»Wann können Sie aufbrechen?«, erkundigte sich Balfour, dem es sichtlich schwerfiel, seine Füße in den Slippern aus Straußenleder ruhig zu halten.
»Wann immer Sie wünschen.«
»Übermorgen«, sagte Balfour. Das war ein Befehl, keine Frage.
»In Ordnung«, stimmte Emma zu und versuchte, sich die Unsicherheit nicht anmerken zu lassen, ob ihr noch immer geschwächter Körper schon fit genug für eine solche Herausforderung sein würde. »Also übermorgen dann.«
Jetzt wurde Emma klar, dass Balfour in weitaus größeren Schwierigkeiten steckte, als sie bislang angenommen hatte.
Alles hing davon ab, die Bombe zu bergen.
Für Balfour genauso wie für sie selbst.
21.
»Zuallererst werde ich Ihnen beibringen, wie Sie von A nach B kommen, ohne verfolgt zu werden. Dazu müssen Sie vor allem zwei Dinge beherrschen: Zum einen brauchen Sie ein scharfes Auge, um zu erkennen, wer Ihnen folgt, und zum anderen müssen Sie schnell und geschickt Ihre Verfolger abschütteln können.«
Es war zehn Uhr morgens am Tag nach Jonathans Ankunft in Israel. Danni und er standen an der Straßenecke Ramat Gan und Ben Gurion mitten im Geschäftsviertel von Tel Aviv. Um Danni im Lärm des Straßenverkehrs überhaupt verstehen zu können, musste sich Jonathan ganz nah zu ihr rüberbeugen. Auf den Bürgersteigen wimmelte es von Kauflustigen, und alle schienen es furchtbar eilig zu haben.
»Wir beginnen mit einem einfachen Test«, fuhr Danni fort. »Ich möchte, dass Sie die Straße überqueren und dann etwa bis zur Hälfte des Blocks
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