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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Mund, wie ich es gern habe an ihm, und murmelte, mehr zu meinen Augen als zu meinen Ohren hin: »Ärger ist, daß es meine Eitelkeit kränkt.«
    Das habe ich jedenfalls verstanden, aber nicht vollständig, vielleicht auch falsch. Wieder überkam mich das Gefühl, der ganze große Mann stürzte meiner Schmächtigkeit entgegen, und man würde selbstverständlich von mir erwarten, ich, Luise Wäns, könnte ihn auffangen. Ich versuchte es mit Kräutertee, mit Magenbitter, und erzählte ihm von Sabines eleganter Urgroßmutter, meiner Großmutter Anna Hornberg, gab in dieser Nacht alles preis, was ich von der Sängerin, unserem Familienschatz, wußte. Das Leben ihrer jüngeren, verwegenen Schwester Isa spare ich mir auf für eine bessere Gelegenheit.
    Am Morgen saß Sabine weinend bei mir am Frühstückstisch: »Ich bin enttäuscht, unsagbar enttäuscht, Mutter. Ich hatte ihn doch so bewundert.« Ihr Unglück und unseres insgesamt schmerzt mich sehr, und doch wäre es mir lieber gewesen, siehätte nicht den Ausdruck »unsagbar« benutzt. Allerdings ist das auch wiederum besser für mich, denn mein Kummer wurde dadurch sofort geringer: lächerliches, tröstliches »unsagbar«! Solange man übertreibt, ist noch nicht alles verloren.
    Es könnte mir auch gefallen, nur noch im Bett zu liegen, bei Tag und Nacht geöffnetem Fenster, und mir das alte Naturschutzgebiet auszumalen, so, wie es damals sein Reich war, so kreuz und quer, so wohlriechend und wohlbedacht an allen Stellen, oder mir die Wiesen und den Himmel darüber vorzustellen, wie die Leute schon immer versucht haben, aus der Erde Systeme, Modelle, Gedankengebäude, ganze Architekturen hervorzutreiben. Tapfer wollen sie damit das Weltall abwehren, oder ist es gerade die Sehnsucht danach? Der Raum ist voll von dem unsichtbaren, wetteifernden Gedränge, wie die Wiesen ja auch. Die aber sind etwas für unsere Augen, sind körperlich, mit Kothaufen und Dreck. Deshalb nimmt man den Ehrgeiz zwischen den Halmen nicht so ernst.
    Ach Kind, Sabine, es gibt eine Liebe, die uns wie Salz durchdringt, durch und durch und durch. Es existiert dann keine Tugend mehr. Die ist erst hinterher wieder möglich, selbst der Himmel reicht uns erst danach seine Hand. Dein Sohn Mirko, der wußte es. Aber, ich schwör’s dir, nicht durch dich.
Gute Frau, guter Mann
    Frau Sykowa freut es immer, wenn ihr Mann, sobald er auf dem kleinen Display seines Navigationsgeräts, das ihm wirkliche Rettungsdienste leistet, (das kann man wohl sagen!) rechts oder links von der Autobahn die blaue Fläche eines Gewässers entdeckt. Sogleich erhält sie Anweisung, stellvertretend für ihn, den großen Liebhaber von Flüssen, Bächen, Seen, in der Wirklichkeit auf der Beifahrerseite danach Ausschau zu halten.
    Noch besser gefällt ihr etwas anderes. Manchmal passiert es, während sie im Bett vor dem Einschlafen noch liest, daß ihrMann schon geträumt hat und ihr davon aufwachend schnell erzählt, damit er es durch neue, sich nähernde Bilder nicht vergißt. Dabei greift er mit den gespreizten Fingern von hinten über den Kopf zur Stirn. Er zieht sich auf diese Weise die Augenlider hoch, um sie am Zufallen zu hindern, sagt dann: »Ich war besoffener Fürst und hatte eine Schnapsidee!« »Im Traum waren nach einem leichten Erdbeben die Gräber schon ausgebeult, richtige Erdblasen, menschengroße Pocken auf den Friedhöfen, aus denen gleich die alten Inhalte herausexplodieren wollten, und es herrschte der sechsundfünfzigste August.« Im heutigen Traum hatte Jan einen herrlichen Nebenweg ausfindig gemacht, angenehm leicht bergauf und bergab mit einem kleinen Bachtal, in dem wilde Narzissen wuchsen. Eine schöne, gefältelte Frau kam ihnen entgegen.
    »Was war denn gefältelt an ihr?«
    »Das Gesicht, über und über fein gefältelt. Eine Osteuropäerin, vielleicht auch Finnin.«
    Es traten noch weitere Frauen auf, alle mit diesen schön gefältelten Gesichtern. Sie standen während einer Pause bei der Feldarbeit zusammen, die sie aber gar nicht nötig hatten, weder die Pause, noch den Broterwerb, denn sie wurden aus einem geheimnisvollen »Energiepool« mit allem, was sie brauchten, versorgt.
    »Wie sah sie denn aus, diese ominöse Energiequelle?«
    »Sie zeigte sich nicht materiell. Ich wußte es nur auf einen Schlag und ohne Zweifel, und weil du es mir im Traum doch gesagt hast.«
    So sind sie, die Träume Jan Sykowas, und immer, das macht seine Frau so glücklich, ist sie in ihnen eine gute Frau. Auch nachts,

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