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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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lediglich mit an Hypnose grenzender Suggestionskraft beeinflußt hat, seinen Drogenhandel aber anderweitig abwickelte.
    In der zweiten Junihälfte fährt Herr Gadow mit seiner Frau in die Gegend zwischen Oxford und Coventry. Das ist abgemacht, das ist fest gebucht. Auf dem kalkreichen Boden dieser Region blühen die schönsten Rosen Englands. Auch die international berühmten Rosengärten des Züchters David Austin sollen besichtigt werden. In der zweiten Junihälfte wird aller Kummer über den falschen Augenglanz seiner Frau, weiß der Biochemiker und Kammerjäger, vergessen sein. So analysiert er die Lage und ist ihrer wieder Herr.
    Na gut. Geht in Ordnung! Er wird für ein Weilchen recht behalten.
Eva Wilkens Eltern
    »Ob sie zurück ist? Das müßte sie doch!«
    »Sie müßte zurück sein, wegen der Papiere und wegen des Tickets.«
    »Seit genau einer Woche müßte sie wieder in Deutschland sein, mein Gott.«
    »Wir versuchen um keinen Preis, uns bei ihr zu melden.«
    »Wir bleiben fest.«
    »Es muß unbedingt von Eva ausgehen.«
    »Obschon, meine Güte, es sind Krisengebiete.«
    »Erst, wenn noch eine Woche vergangen ist.«
    »Wer weiß, wo sie in Wirklichkeit war? Es gibt keine Poststempel als Beweis.«
    »Etwas haben wir falsch gemacht. Unser dauerndes ›Das hat sie von dir, das von mir‹. Sie will selbst jemand sein, aus eigener Kraft.«
    »Obschon, recht hatten wir ja. Nur, daß wir es ihr verraten haben!«
Dumme Wandertaube
    Berlin. Katja, die sich einbildet, noch immer eine Studentin zu sein, hat aus Zufall und reiner Halsstarrigkeit trotz kränkender Zurückweisungen einen letzten, ziemlich müden Versuch riskiert, den eifrigen Botaniker, der mit Frau und Kind über ihr wohnt, doch noch zu verführen. Als sie ihm im Treppenhaus begegnet, sagt sie ins Blaue hinein: »Hey und hallo! Das wird Sie interessieren: Ich habe heute Morgen auf meinem Fensterbrett eine Wandertaube gesehen.«
    Der Mann bleibt stehen. Er lacht sie aus (blendendes Gebiß, verdammt, und sie kann nicht ran): »Eine Wandertaube! Sieh an! Ich bin zwar kein Zoologe, aber meines Wissens ist sie längst ausgestorben und gehört außerdem nach Nordamerika. Hübscher Vogel.«
    Also ist sie zu ihrer Mutter gefahren. Die jedenfalls wird sich aufrichtig freuen über den Besuch. Katja hat ihr einen Topf Enzian gekauft. Die Mutter verbrachte ihre frühe Kindheit in Österreich, und seitdem spricht sie begeistert von dem einzigartigen Blau dieser Blume. Eine richtige Legende in der Familie. Wird die Mutter nicht dankbar staunen?
    Nein, sie staunt nicht, staunt überhaupt nicht. »Enzian, Mutter. Dein vielgeliebter Enzian!« ruft Katja enttäuscht. »Danke, Kind«, sagt die Mutter. Sie erinnert sich durchaus nicht an die alte Leidenschaft.
    Voller Wut behauptet Katja: »Ich habe es eben, gleich als ich aus dem Taxi stieg, gesehen: Auf deiner Aschentonne liegt ein blutiges Stück Katze, die vordere Hälfte.« Die Mutter, die noch ein bißchen krummer geworden ist, fängt an zu zittern: »Ist das wahr?«
    »Nein.«
    Nun weiß die Frau wenigstens, wen sie im Haus hat.
    »Was macht der Auswuchs am Rücken, gebeugtes Mütterchen?«
    Ihre Mutter findet das übertrieben. In ihrer Einsamkeit ist sie den Ton nicht mehr gewohnt. Sie beißt aber die Zähne zusammen und lacht feste. Ein Kunststück der Mutterliebe. Ob das Mädchen das Rüde von ihren groben Onkeln Alfons und Heinrich gelernt hat? Beim Schokoladen-Baiserkuchen läßt Katja plötzlich die Gabel in der Luft stehen und sagt: »Wenn man bedenkt, daß gerade jetzt irgendwo auf der Welt jemand aufgehängt oder gehenkt wird!« Dabei steigen ihr echte Tränen in die Augen.
    »Du hast dich nicht verändert in Berlin, Katja. Ich freu mich schrecklich, daß du gekommen bist. Nur bin ich heute etwas bedrückt.«
    Das paßt dem Mädchen aber wirklich nicht! Nicht einmal hier wird Trost gespendet, wie es Müttern ansteht. Auch die weiche Stimmlage schmeckt ihr nicht. Die Mutter nimmt keine Rücksichtdarauf: »Das Haus um die Ecke. Wir haben es immer ›Die neurotische Baracke‹ oder auch ›Die weiße Weste‹ genannt. Das weißt du bestimmt noch, Katja, bitte. Alles kreideweiß, kein Stäubchen und kein Pflänzchen, kompletter Sichtschutz usw. Die Eigentümer kriegte man nie zu Gesicht. Wir waren überzeugt, daß es sehr hygienische und sehr geldgierige Menschen sein müßten. Heute morgen habe ich erfahren, daß alles umgekehrt richtig ist. Die Leute, eine ältere Frau und ihr Sohn, haben den Schein mit

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