Gezähmt von sanfter Hand
herzuzitieren. Aber egal.« Er stand vom Bett auf und streckte sich. »Dann gehe ich eben jetzt und wecke sie.«
Er blickte auf den reglosen Richard hinunter. »Die Zeit vergeht wie im Fluge, wenn man sich amüsiert, aber mit seinem Talent als Unterhalter ist es ja noch nie weit her gewesen.«
Mit einem letzten müden Lächeln ging er hinaus.
Catriona schüttelte nur resigniert den Kopf, als sie den Lehnsessel an das Bett heranschob, sodass sie – tief in den weichen, bequemen Polstern versunken – Richards Gesicht sehen konnte. Seine dunklen Stoppeln hatten sich mittlerweile zu einem Bart verdichtet, der seine schmalen, eingefallenen Wangen verhüllte; er sah beinahe schon verrufen aus, wie er da quer im Bett lag, noch in derselben Haltung, in der er am Abend zuvor hineingeplumpst war, die zerzausten Haare in der Stirn, die Arme weit ausgestreckt.
Catriona lächelte und zog ihren Korb mit Stopfsachen zu sich heran. Nach dem Frühstück würden sie wieder mit Richard im Zimmer hin und her gehen; sie würde nach Worboys klingeln, damit er sie ablösen konnte, und dann Henderson und Irons holen gehen. Wer weiß – vielleicht würden sie Richard ja heute endlich dazu bringen können, sich von der nachhaltigen Wirkung des Eisenhuts zu befreien.
Sie blickte ihn prüfend an und horchte einen Moment lang auf seine Atemzüge, ruhig und regelmäßig und so vertraut wie ihre eigenen. Beruhigt nahm Catriona ihre Nadel zur Hand und machte sich ans Stopfen.
Den Kopf über ihre Arbeit gebeugt, saß Catriona in dem Sessel neben dem Bett und hantierte gerade eifrig mit ihrer Stopfnadel, als es Richard schließlich und endlich gelang, die Augen aufzuschlagen. Warum seine Lider eigentlich so unglaublich schwer gewesen waren, das konnte er nicht begreifen, aber nun hatten sie ja endlich getan, was er von ihnen wollte, und sich gehoben.
Der Anblick seiner Ehefrau in einer Pose liebreizender Häuslichkeit war unbestreitbar erfreulich; Richard nahm ihn begierig in sich auf, ließ ihn seine beruhigende Wirkung entfalten und die letzten Reste der panischen Angst vertreiben, die ihn erfasst hatte, als er in der grauen, kalten Leere umhergetrieben war und sich gefragt hatte, ob er jetzt wohl sterben müsste. Er hatte nicht sterben wollen, aber er hatte so schrecklich gefroren und er war so schwach, so kraftlos gewesen, dass er sich einfach nicht mehr in der Lage gefühlt hatte, sich an das Leben zu klammern.
Aber dann war Catriona gekommen, hatte ihre warme Hand in die seine geschoben und ihn wieder zurückgeführt, heraus aus der kalten, grauen, zutiefst beängstigenden Leere und zurück in die warme, vertraute Dunkelheit ihres Ehebettes. Sie hatte auch nicht gewollt, dass er starb – sie hatte ihn einfach nicht gehen lassen; sie hatte ihm geholfen, sich festzuhalten, hatte ihm geholfen, hier zu bleiben. Am Leben zu bleiben.
Er war noch immer hier, bei ihr; ein etwas ausführlicherer Blick in die Runde bestätigte ihm, dass er in ihrem gemeinsamen Bett lag und dass das Morgenlicht durch die Vorhänge sickerte. Er holte tief Luft und ließ seinen Blick wieder zu dem Gesicht seiner geliebten Ehefrau zurückschweifen – und bemerkte die dunklen Ringe unter ihren Augen. In genau diesem Augenblick gähnte sie, hob eine Hand vor den Mund, um das Gähnen zu unterdrücken, blinzelte ein paar Mal und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Stopfarbeit.
Richard runzelte irritiert die Stirn; seine bezaubernde Ehefrau war auffallend blass, auffallend abgespannt. Sie sah – jetzt, wo er genauer hinschaute, fiel es ihm wirklich deutlich auf – ganz und gar nicht wohl aus.
Seine Miene wurde noch eine Spur irritierter.
Catriona spürte irgendwie, dass er das Gesicht verzogen hatte, und blickte von ihrer Arbeit auf; das Erste, was sie zu ihrer Überraschung sah, war das Blau seiner Augen. Ihr Herz tat einen freudigen Hüpfer, und ihre Stimmung hob sich schlagartig, nur um eine Sekunde später schlagartig wieder auf den Nullpunkt zu sinken. Richard blickte ausgesprochen missbilligend drein. Und seine Missbilligung galt ihr. Er öffnete den Mund – sie hob hastig die Hand, um ihn am Sprechen zu hindern. »Nein! Lass mich zuerst sprechen. Ganz gleich, was du denkst, ich bin nicht diejenige, die dich vergiftet hat!«
Er blinzelte verdutzt, aber sein missbilligendes Stirnrunzeln kehrte augenblicklich wieder zurück. Er öffnete abermals die Lippen.
»Mir ist klar, dass du diesen Schluss vielleicht etwas voreilig gezogen haben magst, und ich
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