Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
diese Nahrung ein, damit er überhaupt etwas aß, aber manchmal klappte nicht einmal das, und er ignorierte ihre Versuche. Sam entschuldigte sich jedes Mal, wenn er sie sah, für seinen Ausbruch, aber Libby konnte nicht gegen ihr Unbehagen in seiner Nähe ankommen. Tyson blickte nie auf oder gab auch nicht mit dem kleinsten Anzeichen zu erkennen, dass er Sams Gegenwart wahrnahm.
»Hat er überhaupt etwas gegessen?«, fragte Sam.
Libby schüttelte den Kopf. »Sehr wenig. Er ist besessen.«
»Er spricht immer noch nicht mit mir.« Sam wirkte müde. »Er kann ziemlich stur sein und lange Zeit einen Groll hegen. Vermutlich habe ich es diesmal verdient. Du solltest wenigstens etwas essen, Libby. Heute Abend habe ich Spätschicht, wir werden uns also eine Weile nicht sehen.«
»Ich muss auch aus dem Haus und den Tag nutzen, um ein paar Dinge zu erledigen, aber ich sehe heute Abend wieder nach ihm«, versprach Libby.
»Danke.« Sam stieg mit einem Seufzen die Stufen hinauf, und sie sammelte ihre Sachen zusammen und folgte ihm. Dabei achtete sie darauf, besonders leise zu sein.
»Wohin gehst du?« Tyson schwang augenblicklich herum und widerlegte damit ihre Überzeugung, dass er ihre Gegenwart nicht wahrnahm, wenn er arbeitete. Er achtete also doch darauf, was sie tat, und das verblüffte sie.
»Ich denke mir, nach zwei Tagen und Nächten kann ich dringend eine Dusche gebrauchen. Offiziell habe ich frei, aber normalerweise lege ich zwischendurch trotzdem eine Schicht im Krankenhaus ein, und hier bekomme ich nicht genug Schlaf.« Sie deutete auf den Computer. »Hab deinen Spaß hier, und in ein oder zwei Tagen komme ich wieder.« Sie lächelte ihn ermutigend an.
Tyson streckte sich und kam mit langen Schritten auf sie zu. »Gib mir einen Moment Zeit, und ich komme mit dir. Ich brauche ohnehin eine Pause.« Er war bei ihr angelangt, legte einen
Arm um ihren Hals und küsste sie. Anstelle seiner gierigen, fordernden Küsse war dieser sanft und sogar zärtlich, und sie war tief gerührt. »Es gefällt mir, dich in meinem Labor zu haben. «
Sie lachte. »Weil ich dir eine so große Hilfe war.«
»Das warst du wirklich. Erinnerst du dich noch daran, wie wir über die Pflanzen im peruanischen Regenwald geredet haben und wie viele von ihnen eine symbiotische Beziehung mit Insekten oder anderen Pflanzen eingehen? Das ist mir einfach nicht aus dem Kopf gegangen.«
Er folgte ihr aus dem Keller, blinzelte im ersten Moment im Licht und erinnerte sie an eine Eule. Sie lächelte ihn spöttisch an. »Eine Frage aus reiner Neugier, Tyson. Ist dir bewusst, dass Eulen nur in Schwarz und Weiß sehen?«
Ein Grinsen breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus und nahm ihm die Spuren der Ermattung. »Erinnere ich dich an eine Eule?«
»Ich dachte nur, es könnte dich vielleicht interessieren – zur späteren Verwendung.« Sie grinste ihn nahezu herausfordernd an, als erwartete sie von ihm, dass er mit einer passenden Tatsache aufwartete.
Er kratzte sich am Kopf. »Die Iris von Eulen weitet und verengt sich in beiden Augen unabhängig voneinander. Faszinierende Geschöpfe. BioLab arbeitet an Augentropfen, die eine Netzhautablösung verhindert. In wenigen Jahren werden sie auf den Markt kommen.« Er hielt ihr die Hand hin. »Willst du nach Hause gehen? Hoffentlich haben deine Schwestern etwas zu essen und trinken da.«
Libby ging mit ihm zu ihrem Wagen und protestierte nicht, als er die Schlüssel hervorzog und auf dem Fahrersitz Platz nahm. Er fuhr den Porsche mit Begeisterung, und ihr macht es großen Spaß, ihm diese kleine Freude zu gönnen. »Ich dachte, du hättest meine Anwesenheit überhaupt nicht wahrgenommen, Ty.«
»Ich weiß es immer, wenn du dich im selben Raum aufhältst wie ich. Ich habe einen Libby-Drake-Radar entwickelt. Im College habe ich dich wahrgenommen, wenn du am anderen Ende über den Campus gelaufen bist. Wie könntest du mir da im selben Raum entgehen?« Er warf einen Blick auf sie und sah dann wieder auf die Straße. »Ich weiß, dass ich nicht besonders gesprächig bin, wenn ich an etwas arbeite.«
Sie lachte laut. »Du redest überhaupt nicht. Oder du beginnst einen Satz und vergisst, was du sagen wolltest. Dann wieder lässt du ihn in der Mitte abreißen, weil du plötzlich eine großartige Idee hast.«
Lange Zeit herrschte Schweigen, während er den Wagen durch etliche enge Kurven auf der schmalen Schnellstraße lenkte. Libby kurbelte ihr Fenster herunter, um die Landschaft zu betrachten, die
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