Gezinkt
ruht euch heute Nacht aus, und ich komme in der Früh vorbei.«
»Natürlich. Du hast die Adresse?«
»Ich muss sie irgendwo haben. Ich... ich kann überhaupt nicht klar denken.«
Er gab sie ihr noch einmal.
»Es wird guttun, dich zu sehen, Kitty.«
»In solchen Zeiten muss eine Familie zusammen sein.«
Kitty ging ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser, um die letzte Benommenheit nach dem Aufwachen zu vertreiben.
Sie kehrte ins Zimmer zurück, betrachtete sich im Wandspiegel und dachte, wie sehr sich ihr Aussehen doch von dem der Frau unterschied, die sie in Wirklichkeit war. Keineswegs Kitty Larkin, sondern eine Person namens Priscilla Endicott, ein Name, der hinter einer endlosen Kette von Decknamen fast verloren gegangen war.
Aber als professionelle Killerin konnte man es sich natürlich nicht leisten, man selbst zu sein.
Als Linksradikale, die politische Gewalt befürwortete – und gelegentlich praktizierte -, war Priscilla nach dem College nach Übersee gegangen, wo sie zwischen diversen Untergrundbewegungen hin und her gependelt war, bis sie schließlich politischen Terroristen in Irland und Italien half. Mit dreißig jedoch merkte sie, dass mit Politik kein Geld zu verdienen war, zumindest nicht mit einfältiger kommunistischer und sozialistischer Politik, und sie beschloss, ihre Talente jenen anzubieten, die zahlen würden: den Sicherheitsberatern in Osteuropa, dem Nahen Osten und Afrika. Als selbst das nicht genügend einbrachte, wechselte sie erneut die Branche und legte sich die völlig neue Berufsbezeichnung einer »Problemlöserin« zu.
Während sie vor vier Monaten an einem Pool in den Vereinigten Arabischen Emiraten in der Sonne lag, erhielt sie einen Anruf von einer vertrauenswürdigen Kontaktperson. Nach einigen Verhandlungen nahm sie für fünf Millionen US-Dollar den Auftrag an, Ron Larkin, seinen Bruder und dessen Frau zu ermorden, die drei Personen, in deren Händen die Leitung der Larkin-Stiftung lag.
Priscilla hatte ihr Aussehen verändert: Gewichtszunahme, gefärbte Haare, farbige Kontaktlinsen, gezielte Collagen-Spritzen. Sie wurde zu Catherine »Kitty« Biddel Simpson, erfand einen glaubwürdigen Lebenslauf und brachte es fertig, über einige Wohltätigkeitsveranstaltungen in Los Angeles Ron Larkin nahe zu kommen. Sie hatte viel Zeit in Afrika verbracht und konnte sich intelligent über die Region unterhalten. Sie wusste sogar eine Menge über die Not der Kinder dort, nachdem sie eine Reihe von ihnen zu Waisen gemacht hatte.
Kitty ließ ihren Charme spielen (und ein paar andere Fertigkeiten natürlich), sie begannen sich zu treffen, und Kitty suchte nach einer Gelegenheit, ihren Auftrag zu erfüllen. Aber es war nicht einfach. Sicher, sie hätte ihn jederzeit töten können, aber einen so in der Öffentlichkeit stehenden und populären Mann wie Ron Larkin zu ermorden und seinen Bruder und seine Schwägerin obendrein und natürlich ungestraft davonzukommen, war wesentlich schwerer, als sie gedacht hatte.
Doch dann sorgte Larkin selbst für eine Lösung. Zu ihrer grenzenlosen Erheiterung machte er ihr einen Heiratsantrag.
Als seine Ehefrau hätte sie unbeschränkten Zugang zu ihm, ohne seine Personenschützer, und sein Bruder und dessen Frau würden ihr automatisch vertrauen.
Das Erste, was sie sagte, war: »Ja, Liebling, aber ich will keinen Cent von deinem Geld.«
»Nun ja...«
»Nein, ich habe das Treuhandvermögen meines Vaters«, hatte sie erklärt. »Abgesehen davon, Schatz, sind es nicht die Dollarzeichen, die ich an dir mag, sondern das, was du für andere Menschen tust. Okay, und du hast einen ganz passablen Körper für so einen alten Knaben«, hatte sie scherzend hinzugefügt.
Wer hätte unter diesen Umständen Verdacht schöpfen sollen?
Nach einer Runde ehelichen Glücks (gelegentlicher Sex, viele reichhaltige Dinner, zahllose fade Geschäftsfreunde) war es dann Zeit gewesen zu handeln.
Sie waren am Dienstagabend auf dem Flughafen La Guardia gelandet (da sie mit einer Privatmaschine flogen, konnte sie ihre Waffen und ihr sonstiges Handwerkszeug mitnehmen), zum Stadthaus gefahren und zu Bett gegangen. Um halb fünf kleidete sie sich an, streifte Latexhandschuhe über und schraubte den Schalldämpfer auf den Lauf ihrer Lieblings-32er. Dann ging sie auf den Balkon hinaus, in die kühle, elektrisch riechende New Yorker Morgenluft. Sie verteilte das vorbereitete Spurenmaterial, um die Polizei in die Irre zu führen, hängte den Enterhaken
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