Gezinkt
nicht allein durch die Straßen gehen, und die, die es taten, würden sich pausenlos nach einer möglichen Gefahr umsehen. Nur Narren würden noch einen Fremden in ihr Haus lassen, und der Jäger hatte keine Freude daran, Narren zu töten.
Also wartete er am Dienstagabend, bis es Zeit zum Schlafengehen war – gegen dreiundzwanzig Uhr -, und schlich dann in die Maple Street. Dort tränkte er das Dach eines abgestellten Cabrios mit Benzin und entzündete die beißend riechende, bernsteinfarbene Flüssigkeit. Ein mächtiges Zischen... Er versteckte sich in einem Gebüsch, beobachtete gebannt den Wirbel aus Flammen und schwarzem Rauch, der über dem sterbenden Wagen in den Himmel stieg, und wartete. Nach zehn Minuten donnerten Ungetüme von Feuerwehrautos die Straße entlang, und ihr Sirenengeheul lockte die Menschen aus den Häusern, weil sie sehen wollten, was es Aufregendes gab. Unter den Neugierigen auf dem Gehsteig befand sich auch eine junge, sittsame Blondine mit herzförmigem Gesicht namens Clara Steading. Sie war die Frau, die der Jäger besitzen musste – vollständig besitzen. Sie war die Inkarnation der Liebe, Amore persönlich, sie war Schönheit, sie war Leidenschaft... Und sie war außerdem völlig ahnungslos, was ihre Rolle als das Objekt seiner krankhaften Begierde anging. Clara fröstelte in ihrem Bademantel, während sie inmitten einer Traube aufgeregt schnatternder Nachbarn stand, die alle beobachteten, wie die Feuerwehrleute den Brand löschten und dem bestürzten Besitzer des Wagens, der einige Türen weiter wohnte, Trost zusprachen.
Schließlich begannen sich die Schaulustigen zu langweilen oder wurden von dem bitteren Geruch verbrannten Gummis und Kunststoffs abgeschreckt, und sie kehrten in ihre Betten, zu einem kleinen Mitternachtsimbiss oder ihrem geisttötenden Fernseher zurück. Ihre Wachsamkeit jedoch ließ nicht nach; sobald sie im Haus waren, verriegelten sie alle sorgfältig ihre Fenster und Türen, damit der Würger nicht etwa in ihrem Zuhause ein weiteres Mal zuschlug.
In Clara Steadings Fall hatte die Sorgfalt, mit der sie Riegel und Kette vorlegte, jedoch eine etwas andere Wirkung: Sie schloss den Jäger mit sich ein.
»Großer Gott«, murmelte Altman. »Genau so hat es sich im Fall Kimberly Banning abgespielt, genau so ist der Täter ins Haus gekommen. Er hat ein Auto angezündet.«
»Ein Cabrio«, ergänzte Wallace. »Und dann blätterte ich zurück und fand einige angestrichene Passagen. Eine handelte davon, wie sich der Mörder an sein erstes Opfer herangepirscht hatte, indem er so tat, als würde er für die Stadt arbeiten und die Pflanzen in einem Park gegenüber der jungen Frau schneiden.«
Genauso hatte sich der Würger von Greenville an sein erstes Opfer, die hübsche Studentin, herangepirscht.
Wallace wies auf mehrere andere Passagen, die mit Sternchen gekennzeichnet waren. Es gab auch Randnotizen. In einer hieß es: »Überprüfen. Wichtig.« Eine andere Notiz lautete: »Benutzte Ablenkung.« Und »Entsorgung der Leiche. Merken.«
»Der Mörder ist also ein Nachahmungstäter«, murmelte Altman. »Er hat den Roman zur Recherche benutzt.«
Was bedeutete, dass das Buchexemplar möglicherweise Hinweise enthielt, die zum Täter führten: Fingerabdrücke, Tinte, Handschrift. Deshalb die CSI -Handschuhe des Reporters.
Altman betrachtete die melodramatische Umschlagillustration des Romans – die gezeichnete Silhouette eines Mannes, der in das Fenster eines Hauses späht. Der Detective zog selbst Latexhandschuhe an und ließ das Buch in einen Beweismittelumschlag gleiten. Er nickte dem Reporter zu und sagte ein von Herzen kommendes: »Danke. Wir hatten seit mehr als acht Monaten keine Spur mehr in der Sache.«
Dann ging er in das Büro nebenan – das seines Assistenten, eines jungen Detectives mit Bürstenschnitt, der Josh Randall hieß – und wies diesen an, das Buch ins Bezirkslabor zur Analyse zu bringen. Als er zurückkam, saß Wallace immer noch erwartungsvoll auf dem harten Stuhl vor Altmans Schreibtisch.
Altman war nicht überrascht, dass er nicht gegangen war. »Und die Gegenleistung?«, fragte er. »Für Ihre gute Tat?«
»Ich will exklusiv berichten. Was sonst?«
»Dacht ich mir schon.«
Altman hatte theoretisch nichts dagegen. Kalte Fälle waren schlecht für das Image der Polizei, und einen zu lösen war gut für die Karriere eines Polizisten. Ganz davon zu schweigen, dass irgendwo immer noch ein Mörder frei herumlief. Er hatte Wallace jedoch nie
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