Gezinkt
Stadt. Tonya war ihr einziges Kind.
Ron tippte auf einen Artikel am Rand der Seite. »Hey, sieh mal an.« ELTERN BIETEN 500 000 $ FÜR RETTUNG DES KINDES, lautete die Schlagzeile.
Eine halbe Million, dachte er. Dann fiel ihm ein, dass sich der Nachname des Mädchens bekannt anhörte. Ihr Vater war wahrscheinlich derselbe Gilbert, dem eine große Investmentbank in der City gehörte und der in der Presse immer auf Versteigerungen für wohltätige Zwecke und kulturellen Benefizveranstaltungen auftauchte.
»Wie können wir helfen?«, fragte Sandra den Detective.
»Unsere Rettungsteams haben versucht, von der Oberfläche zu dem Mädchen vorzudringen, aber es ist zu gefährlich. Der Rest des Gebäudes könnte jeden Moment einstürzen. Die Behörden würden gern versuchen, über den Keller Ihres Bürogebäudes zu ihr vorzustoßen.«
Sandra schüttelte den Kopf. »Aber was sollte das helfen? Er ist ja ein ganzes Stück entfernt von dem alten Gebäude.«
»Unsere Leute haben sich alte Karten von Gebäuden angesehen, die früher in der Gegend standen. Es gibt einige Kellergeschosse unter dem Parkplatz, zwischen Ihrem Gebäude und dem eingestürzten, und wir glauben, dass diese nicht aufgefüllt wurden. Wir hoffen, dass sich jemand unterirdisch an das Mädchen heranarbeiten kann.«
»Ach so, natürlich«, sagte Ron. »Wir helfen, so gut es nur geht.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Ich komme sofort runter und lasse Sie rein. Geben Sie uns nur ein paar Minuten, damit wir uns etwas anziehen können.«
»Sie können mir hinterherfahren.« Der Detective zeigte auf seinen dunkelblauen zivilen Wagen.
Ron und Sandra eilten ins Haus zurück. »Das arme Mädchen... beeilen wir uns«, flüsterte Sandra.
Im Schlafzimmer warf Ron Bademantel und Pyjama auf den Boden, während Sandra in ihr Ankleidezimmer ging, um sich umzuziehen. Während Ron Jeans und ein Sweatshirt anzog, klickte er den lokalen Fernsehkanal an. Ein Team war vor Ort, und ein Reporter erzählte dem Nachrichtensprecher gerade, dass ein weiterer Teil des Gebäudes eben eingestürzt sei, die Trümmer hätten Tonya jedoch verfehlt. Sie lebte noch.
Gott sei Dank, dachte Ron. Er schlüpfte in seine Jacke und schaute auf den Bildschirm. Die Kamera schwenkte auf zwei junge Frauen, die an der Polizeiabsperrung standen. Eine wischte sich die Tränen fort, während die andere ein Schild in die Höhe hielt. »Wir ♥ Dich, Tonya!« stand darauf.
RB Graphic Design war in einem alten Lagerhaus für Kaffee untergebracht, einem kleinen, nahe am Fluss und auf der Straßenseite gegenüber dem City College.
Vor zwei Jahren hatten ein Dutzend Bauträger beschlossen, dieses frühere Industriegebiet umzuwandeln und Lofts, schicke Restaurants, Theater und künstlerisch angehauchte Gewerbe anzusiedeln – so wie es neuerdings viele Städte in dem mehr oder weniger verzweifelten Bemühen taten, den Trend zur Flucht in die genormten Schlafstädte zu stoppen.
Die Immobiliengesellschaften steckten auf dem acht Straßenzüge im Quadrat großen Gelände enorme Summen in Renovierung und Neubauten, während die Stadt selbst sich zu Steuererleichterungen bereit erklärte, um Menschen und Firmen zum Umzug zu bewegen, und ein paar billige Skulpturen, die Beschilderung und ein PR-Unternehmen bezahlte, das sich den Namen NeDo einfallen ließ, was für New Downtown stand. Trotz des wenig geistreichen Namens und einiger anderer Planungsfehler (zum Beispiel hatte man vergessen, dass die Besucher der schicken Restaurants und Theater und die Angestellten in den kreativen Unternehmen ihre Autos irgendwo parken mussten), fand die Erschließung Anklang. Ron Badgett etwa wusste sofort, dass er seine Firma in das Viertel verlegen wollte, und besonders hatte es ihm das alte Kaffeelagerhaus angetan. Er könne es nicht erklären, sagte er zu Sandra, aber ihm sei instinktiv klar gewesen, dass es perfekt zu seiner Persönlichkeit passe.
Ron hielt außerdem die Zeit für gekommen, sein ursprüngliches Büro aufzugeben. Er fand, die Vorteile des alten Gebäudes hatten sich erschöpft, das im ursprünglichen Stadtzentrum lag, in einer langweiligen Umgebung mit lauter Bürogebäuden aus den 1950ern, dem Busbahnhof und einer kürzlich stillgelegten Sekretärinnenschule. Nachts war es eine Geisterstadt. Gewaltverbrechen hatten in den letzten Jahren zugenommen, und Sandra hasste es, abends allein in das Gebiet zu fahren, um Ron zu treffen.
Doch obwohl NeDo allmählich populär wurde, hatte sich der Umzug in
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