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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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konnte. Wenn er darüber nachdachte, könnte derselbe Betrachter natürlich ebenso gut spekulieren, dass Sandra selbst mit Langley zusammenarbeitete; sie konnte ihn bei ihrer Tätigkeit für eine Ölfirma kennengelernt und als Bauingenieurin eine Falle für das Mädchen konstruiert haben, nachdem ihr bei Rons Umzug das Gebäude aufgefallen war.
    Interessante Reaktionen auf den Zwischenfall, dachte ein amüsierter Ron Badgett, der natürlich als einziger Mensch auf der Welt genau wusste, was dem Mädchen tatsächlich widerfahren war.
    »Könnte sein«, sagte er, »aber das ist jetzt wohl eine Sache zwischen Gilbert und Langley.«
    Ron steuerte den Wagen in die Einfahrt, ließ den Motor laufen und stieg aus, um seiner Frau die Tür zu öffnen. »Ich fahre zurück ins Büro und schaue, wie sie mit der Kellerwand vorankommen.« Die Stadt bezahlte die Reparatur des Lochs in seinem Untergeschoss.
    Sandra küsste ihn zum Abschied und sagte, sie würde das Abendessen fertig haben, wenn er nach Hause käme.
    Ron setzte sich ans Steuer und fuhr in gespannter Erwartung nach NeDo. In Wirklichkeit war ihm die Kellerwand völlig gleichgültig. Aber in zwanzig Minuten waren die letzten Unterrichtsstunden am City College zu Ende, und er wollte bis dahin an seinem Schreibtisch vor dem Fenster sein, damit er die Schülerinnen beim Verlassen der Schule beobachten konnte.
    Das Mädchen im Stollen war gerettet worden; Ron Badgett brauchte ein neues.

Die Locard’sche Regel
    »Es ist politisch heikel.«
    »Politik«, brummte Lincoln Rhyme geistesabwesend in Richtung des schweren Mannes mit dem zerzausten Haar, der im Schlafzimmer des Kriminalisten in seinem Stadthaus auf der Upper West Side an einer Kommode lehnte.
    »Nein, es ist wichtig.«
    »Und heikel «, echote Rhyme. Er war über Besucher im Allgemeinen nicht erfreut, und noch viel weniger über welche, die morgens um halb neun über ihn hereinbrachen.
    Detective Lon Sellitto nahm den Kaffee, den ihm Rhymes Assistent Thom anbot. Er trank einen Schluck.
    »Nicht schlecht.«
    »Danke«, sagte Thom.
    »Nein«, belehrte ihn Sellitto. »Ich meine seine Hand. Schauen Sie.«
    Rhyme war vom Hals abwärts querschnittsgelähmt, seit er vor ein paar Jahren bei der Untersuchung eines Tatorts verletzt worden war. Durch eine Therapie hatte er jedoch eine leichte Bewegungsfähigkeit der rechten Hand wiedererlangt. Er war enorm stolz auf diese Leistung, aber es lief seinem Wesen zuwider, zu prahlen – jedenfalls über persönliche Leistungen. Er ignorierte Sellitto und fuhr fort, einen weichen Gummiball zu drücken. Ja, er konnte die Hand wieder ein bisschen bewegen, aber sein Tastsinn spielte verrückt. Er spürte Strukturen und Temperaturen, die den Eigenschaften des Schwammgummis nicht entsprachen.
    Ein erneutes Brummen. Er schnippte den Ball mit dem Zeigefinger fort. »Ich bin nicht direkt wild auf unangemeldete Besuche, Lon.«
    »Wir sitzen in der Klemme, Linc.«
    In einer politisch heiklen. »Amelia und ich sind im Moment mit ein paar anderen Fällen beschäftigt«, fuhr Rhyme fort. Er trank den starken Kaffee durch einen Strohhalm. Der Becher war rechts von ihm am Kopfteil des Bettes befestigt. Zu seiner Linken befand sich ein Mikrofon, das mit einem Stimmerkennungssystem verbunden war, welches wiederum an einer Kontrolleinheit hing, dem zentralen Nervensystem seines Schlafzimmers.
    »Wie gesagt, in der Klemme.«
    »Hm.« Er trank noch etwas Kaffee.
    Rhyme betrachtete Sellitto sorgfältig. Er hatte mit dem Detective der Abteilung für Kapitalverbrechen häufig zusammengearbeitet, als er selbst noch Leiter der Spurensicherung beim New York Police Department gewesen war. Der Mann wirkte müde. Egal wie früh er selbst aufgewacht war, überlegte Rhyme, Sellitto hatte der Anruf wegen des Mordfalls wahrscheinlich schon einige Stunden vorher aus dem Bett geholt.
    Sellitto erklärte, dass der fünfundfünfzigjährige Unternehmer und Philanthrop Ronald Larkin vor kurzem im Schlafzimmer seines Stadthauses auf der Upper East Side erschossen worden war. Die ersten Beamten, die am Schauplatz eintrafen, fanden eine Leiche, eine verwundete und weinende Ehefrau, sehr wenige Spuren und keinen einzigen Zeugen vor.
    Sowohl FBI als auch die höheren Ränge des NYPD wollten, dass Rhyme und seine Partnerin Amelia Sachs die Spurensicherung übernahmen, mit Sellitto als leitendem Detective. Rhyme war oft erste Wahl für große Fälle, denn trotz seines verschlossenen Wesens war er der Öffentlichkeit

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