Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel
Abwesenheit in einer Woche. Er war es leid, und ich kann ihn verstehen.
Turgut ist nach seiner «Magenentzündüng» nicht mehr in die Schule gekommen, aber er hat mir via Facebook wieder mal eine Nachricht übermittelt: «Hallo frl. krise ich sollte ihnen von der polizei mitteilen. also es war ein streit zwischen mein cousengs und arabern und gestern meinten die kommt in unser straße. wir reden und vetragen dies das. die waren 17 – 19 Jahre alt. und neben uns war kein erwachsener und ein jugendlicher aus ecke hat mich mit schlagring angegriffen gegen mein hinterkopf.
jetzt habe ich ein beule. wir waren bei der polizei haben anzeige usw. gemacht. deswegen konnte ich nicht kommen. nächste woche montag fang ich jetzt an.»
Abo, eine Beule am Hinterkopf! Mein Mitleid hält sich in Grenzen.
Muss ich mir jetzt Sorgen um meine Schäfchen machen?
Nein.
Ich habe Wochenende. Ich habe diese Woche viel gearbeitet und mich noch mehr geärgert. Ich werde ab sofort zwei Tage nicht mehr an Schule, Schüler, Praktikum und dergleichen denken. Ich habe getan, was ich konnte. Mehr geht nicht. Wenn diese Bagaluten es nicht schaffen, ein bisschen Anstrengung in Richtung Zukunft zu investieren, dann kann ich es auch nicht ändern!
Ich möchte jedenfalls kein Magengeschwür, keine scharfen Mundfalten, keine Beule am Hinterkopf und schon gar keine Schlafstörungen kriegen. Jedenfalls nicht noch mehr, als ich schon habe.
Zwischen Parfum und Angstschweiß
Praktikum, 6. Tag
Leila hat sich den eindeutig edelsten Praktikumsplatz ausgesucht – eine teure Parfümerie in einer feinen Shopping-Mall, natürlich super weit weg von der Schule. Aber darüber darf ich nicht meckern, weil wir ja wollen, dass unsere Schüler endlich ihre Nasen aus dem Bezirk herausstecken.
Heute morgen gegen elf Uhr steuere ich die Parfümerie an – besonders wohl frisiert und gut geschminkt, schließlich will man ja nicht schon von weitem wie eine abgewrackte Lehrerin aus einem Problembezirk aussehen – und werde am Eingang auffallend freundlich von so einer Art Türsteher begrüßt. Er schmeißt sich fast vor mir zu Boden und weist mir den Weg durch die ladenbreite Türöffnung, die selbst ich, kurzsichtig, wie ich bin, nicht übersehen kann.
Eine überschminkte, mittelalterliche Verkäuferin mit hektischen Gesichtsflecken schießt wie eine Rakete auf mich zu, mustert mich von oben nach unten und wieder zurück, lächelt mich honigkuchenpferdmäßig süßlich an und flötet etwas von «Helfen oder erst mal umschauen?».
Schon steht wie aus dem Boden gewachsen eine zweite Angestellte vor mir. Die erste blitzt die zweite an und zischt: «Die Dame wird schon von mir bedient!»
Seit wann schlagen sich in der Dienstleistungswüste Deutschland die Bedienungen um die Kunden? Ich bin höchst irritiert und will gerade meine Identität lüften, als Leila um die Ecke biegt, mich sieht, sich auf mich stürzt und mir die obligatorischen Küsschen rechtslinksrechts gibt.
«Meine Lehrerin», sagt sie bedeutungsschwanger zu den beiden Damen, die mich mit aufgerissenen Augen anstarren.
Ehe ich mich näher erklären kann, sagt die eine enttäuscht: «Ach sooooo, die Lehrerin.» Und die andere unhöflich: «Leila, geh mit deiner Lehrerin nach hinten, sofort!»
«Hier lang», erklärt Leila. Wir setzen uns in einen winzigen, unaufgeräumten Raum, der in herbem Kontrast zu all dem Glasgefunkel, Chrom, Gold, Duft und Glanz des Ladens steht. Leila grinst mich verschwörerisch an: «Vallah, Frl. Krise, die dachten, Sie sind die Frau, die heute kommen soll!»
«???»
«Die alles kontrolliert und so. Die wissen nicht, wann sie kommt und wie sie aussieht. Die warten schon die ganze Zeit.»
Sie erklärt mir, dass in regelmäßigen Abständen solche «Kontrolleure» in Form von schwierigen Kunden den Laden und die Verkäuferinnen checken und alle in Angst und Schrecken davor leben. Leila ist natürlich gänzlich unbeeindruckt davon und findet das ziemlich lustig.
Als ich wieder gehe, stehen alle noch in Habtachtstellung auf ihren Plätzen. Beim Herrenparfum schleicht eine verdächtige Gestalt herum, und ich schwör … mir wird auch schon ganz mulmig. Besonders bei dem Gedanken, dass unsere Schulbehörde so was demnächst auch einführen könnte …
Britta und die Kurve
Praktikum, 8. Tag
Das Praktikum hat auch eindeutig gute Seiten! Das muss ich hier mal laut und deutlich sagen. Ohne Praktikum hätte ich nämlich auf keinen Fall heute Britta gesehen.
Ich
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