Ghost Street
hervorgetreten und hätte sie mit einem Feuerhaken erschlagen, aber das Wohnzimmer war leer und niemand bedrohte sie. Sie blickte sich aufmerksam um und konnte nichts Verdächtiges entdecken. Das Zimmer lag verlassen vor ihr, die braune Ledercouch, ihr bequemer Fernsehsessel, auch das Esszimmer nebenan.
Sie ging ein paar Schritte, blickte hinter die Couch und die Sessel, man konnte nie wissen, und sah die Fernbedienung auf dem Teppich liegen. Erleichtert atmete sie auf. So war das also: Ihr Kater war im Wohnzimmer gewesen und aus Versehen auf die Fernbedienung getreten. Er musste höllisch erschrocken sein, als plötzlich der Fernseher angegangen war.
Sie hob die Fernbedienung auf und schaltete den Fernseher aus. Die morgendliche Stille kehrte zurück. In der Altstadt war selbst während der Rushhour wenig Verkehr, und in ihrem Haus war lediglich das gedämpfte Rauschen der Klimaanlage zu hören. Auch wenn sie ein Fenster geöffnet hätte, wäre es nicht lauter gewesen.
Erleichtert ging sie in die Küche. Ihr Kater lag immer noch etwas benommen in seinem Korb und blickte sie unter halb gesenkten Lidern an. »Du bist mir einer«, begrüßte sie ihn amüsiert, »springt im Wohnzimmer rum und sieht sich blöde Talkshows an und mir spielt er das kranke Kätzchen vor. Du hast es wohl gern, wie eine Schmusekatze bedient zu werden?«
Der Kater ließ sich nicht aus der Ruhe bringen undschloss die Augen. Nicht einmal die warme Milch weckte ihn aus seinem Dämmerschlaf. Seltsam, dachte sie, in dem Zustand kann er doch nicht im Wohnzimmer gewesen sein. Vielleicht gab es auch in diesem Haus einen Geist, der ihr ein bisschen Angst einjagen wollte, weil sie bei den Worten ihrer Vermieterin gelacht hatte. Angeblich hatte vor hundertfünfzig Jahren ein Sklavenjäger in dem Haus gelebt. Kein angenehmer Gedanke, seinen Geist in der Nähe zu wissen.
Hinter ihr erklang ein Geräusch und ließ Alessa entsetzt herumfahren. Ein Mann stand im Flur. Sie ließ die Schüssel mit der Milch fallen und hielt sich am Türrahmen fest. Die Plastikschüssel schepperte über den Fliesenboden, die Milch spritzte der kranken Katze ins Gesicht. Sie war viel zu erschrocken, um sie abzulecken. Ihre Lider schlossen sich, als hätte sie Angst, den Mann im Flur anzublicken.
»Mike!«, rief Alessa, als der Mann ins Licht trat. »Was tust du denn hier?« Und als sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte: »Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken? Warum schleichst du wie ein Dieb hier rein? Kannst du nicht klingeln oder klopfen? Was willst du überhaupt von mir? Ich dachte, wir hätten Schluss gemacht.«
Mike trug Anzug und Krawatte, wie es von einem Anwalt verlangt wurde, und sah wirklich gut aus. Sein Aussehen war auch nicht das Problem gewesen. Eher sein machohaftes Gehabe, wahrscheinlich ein Erbe seines Vaters, einem Staranwalt aus Miami.
»Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.« Er zeigte ihr den Hausschlüssel, den sie ihm vor knapp drei Monaten gegeben hatte, und legte ihn auf die Anrichte neben der Wohnzimmertür. »Ich wollte dir nur den Schlüssel zurückbringen. Es sei denn …« Er blickte sie wie ein kleinerJunge an. »Es sei denn, du überlegst es dir noch mal. Du warst etwas aufgeregt gestern …«
»Nein, ich überlege es mir nicht mehr«, schnitt sie ihm das Wort ab. Ihre Antwort fiel heftiger aus als geplant. »Ich kann mit dir nicht zusammenleben, Mike. Du bist ein netter Kerl, siehst klasse aus und verstehst es, eine Frau zu verführen, aber wir passen einfach nicht zueinander.« Sie ließ den Türrahmen los und ging ihm ein paar Schritte entgegen. »Wie lange bist du eigentlich schon hier? Spionierst du etwa hinter mir her, Mike?«
Er drehte sich verwundert zur Tür herum. »Ich bin gerade reingekommen. Mit dem Schlüssel, den du mir gegeben hast. Und ich würde dir niemals hinterherspionieren. Mal davon abgesehen, dass ich solche Mätzchen nicht nötig habe, bin ich Anwalt und weiß, was ein solches Vorgehen zur Folge haben kann. Es würde mich den Job kosten. Also spar dir gefälligst solche albernen Vorwürfe. Ich liebe dich immer noch und würde dir niemals wehtun, und das weißt du auch.«
»Tut mir leid«, erwiderte sie schuldbewusst, »es ist nur … ich hab seltsame Geräusche im Haus gehört und dachte, es hätte sich vielleicht ein Dieb …« Sie winkte ab. »Ach, vergiss es. Ich bin heute einfach schlecht drauf. Geh jetzt bitte, Mike! Es hat keinen Zweck mit uns beiden. Und sag jetzt bloß nicht,
Weitere Kostenlose Bücher