Ghost Street
und nichts über seinen Charakter aussagt. Mag sein, dass unbelehrbare Betonköpfe wie Sie etwas länger für die Erkenntnis brauchen …«
»Der weißen Rasse trug Gott auf, die Welt zu erobern. Das steht schon in der Bibel.« Hamilton schien jedes Wort ernst zu meinen. »Unsere weiße Haut steht für die Reinheit unserer Seelen, die wir Jesus Christus und seinem Opfertod am Kreuz zu verdanken haben. Wir haben den Auftrag, uns diese Welt untertan zu machen.«
»Blödsinn!«
»Wir haben nichts gegen Neger, Ma’am … Detective …« Er hatte sich anscheinend wieder in der Gewalt und grinste frech. »Auch Schwarze, Rote und Gelbe haben ein Recht auf Leben. Niemals, und ich betone das, niemals hat der Klan einem Menschen Gewalt angetan, der keine Schuld auf sich geladen hatte. Wir sind keine Nazis. Wir wollen die Schwarzen nicht umbringen. Solange sie wissen, wo ihr Platz ist, sollen sie am Leben bleiben. Verfluchte Nigger!«
Die letzten Worte hatte er nur geflüstert, aber Jenn hatte sie genau gehört. Der warnende Gesichtsausdruck ihresPartners hinderte sie daran, auf den Gefangenen loszugehen. »Arschloch!«, murmelte sie nur, dann fragte sie eher nüchtern: »Sie haben von dem Mord an Angela Rydell gehört?«
»Angela … Rydell?«
»Tun Sie nicht so unschuldig, Hamilton. Ich weiß, wie schnell sich so was im Knast rumspricht. Also?«
»Angela Rydell? War sie …«
»Sie war die Tochter von Helen Rydell. Man hat sie heute Morgen aus dem Fluss gezogen … in einem Kartoffelsack. Genau wie bei Ihnen damals.«
Sein faltiges Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ich kann’s nicht gewesen sein. Ich hab ein sicheres Alibi. Fragen Sie den Direktor.«
»Kannten Sie Angela Rydell?«
»Nein.« Seine Ketten klirrten leise, als er die Hände bewegte. »Woher auch? Wenn man mich nicht vor Gericht gezerrt hätte, wär mir sogar der Name ihrer Mutter entfallen. Wieso?«
Jenn ignorierte seine Frage. »Sie haben die Angehörigen Ihrer Opfer nie gesehen? Und das soll ich Ihnen glauben? Einige von ihnen waren beim Prozess dabei, zum Beispiel Angela Rydell …«
»Aber nicht als Zeugin«, erwiderte er. »Ich hab mir nur die Zeugen angesehen. Den Scheißkerl, der mich verkauft hat. Die Feiglinge, die sich an mir rächen wollten, weil ich sie damals hart angepackt habe. Im Klan herrschte Disziplin, und die bekam man eben nicht ohne Gehorsam.« Sein Blick war in die Vergangenheit gerichtet. »Das Publikum war mir egal. Und die Nachfahren meiner angeblichen Opfer auch.« Er kehrte in die Gegenwart zurück. »Sie glauben doch nicht, dass ich was mit ihrem Tod zu tun habe? Als geheimnisvoller Mann im Hintergrund, derdie Geschicke des Klans aus dem Gefängnis leitet? Ein achtzigjähriger Großmeister im Rollstuhl? Wie soll das gehen?« Er kicherte in sich hinein. »Glauben Sie, ich halte heimliche Treffen in meiner Zelle ab? Oder im Hof unten? Mit Klansmännern, die nach dem Meeting ausschwärmen und meine Mordbefehle ausführen? So was gibt’s nicht mal im Kino, Detective.«
»Wäre nicht das erste Mal, dass jemand im Gefängnis die Fäden in der Hand hält. Es gibt genug Idioten, die mit Typen wie Ihnen sympathisieren.«
Wieder dieses Grinsen, zufrieden und auch etwas spöttisch. »Es gibt keinen Ku-Klux-Klan mehr, Detective, und ich sitze hier auch nicht rum und spiele Al Capone. Warum auch? Gott hat uns die Arbeit längst abgenommen, oder was glauben Sie, warum Katastrophen wie Nine-Eleven und die Tsunamis in Thailand und Japan passieren? Weil uns der Herr bestrafen will. Weil sich die Menschen von der wahren Ordnung abgewendet haben und die Gesetze der Bibel missachten. Er hat Angela Rydell getötet, er ganz allein, um ein neues Zeichen zu setzen. Er will die Menschen aufrütteln.«
Jenn hatte sich noch kein einziges Wort notiert. »Und wessen Hand hat er bei dem Mord geführt? Haben Sie eine Ahnung? Einer Ihrer Kumpane? Ein Freund von damals? Ein Spinner, der von Ihren Ideen geblendet ist?«
»Ich hab nicht die geringste Ahnung, Detective. Aber bestellen Sie ihm einen schönen Gruß von mir, wenn Sie ihn finden. Die Hinrichtung von damals zu kopieren, war eine tolle Idee, selbst wenn diese Rydell keine Niggerfreundin ist. Aber sie ist die Tochter einer Niggerfreundin, und das reicht, meinen Sie nicht?«
Jenn hatte genug. Sie klappte ihren Notizblock zu, steckte ihn ein und erhob sich. Sie ging zu Hamilton, packte ihnam Kragen, und bevor Harmon sie daran hindern konnte, spuckte sie ihm ins Gesicht.
Weitere Kostenlose Bücher