Ghost Street
brannte Licht. Zwischen den dunklen Häusern in der Nachbarschaft wirkte die Villa wie eine Zuflucht. Was, zum Teufel, suchte Hamilton dort?
Entgegen der Vorschrift, dass sich ein Detective niemals allein in eine potenziell gefährliche Situation begeben sollte, stieg Jenn aus und ging im Schatten der mächtigen Eichen auf das Haus zu. Sie überprüfte das Magazin ihrer Pistole, eine Glock 21, und ließ die Waffe wieder in ihrem Gürtelhalfter verschwinden. Wenn man es am wenigsten erwartete, erlebte man die größten Überraschungen, auch das hatte sie in Chicago gelernt. Um freie Hand zu haben, öffnete sie ihre Jacke.
Hinter den erleuchteten Fenstern waren keine Schatten zu sehen, auch in den umliegenden Häusern blieb es dunkel. Geduckt rannte sie über den Rasen vor dem Haus in den Schatten der Magnolienbäume, die sich links vom Eingang erhoben. Sie blieb stehen, immer darauf gefasst, von einem bellenden Hund angefallen zu werden, und drang dann in den etwas verwilderten Garten vor. Alle Fenster waren geschlossen, auch die Tür zum Wintergarten ließ sich nicht öffnen. Leise fluchend huschte sie um das Haus herum. Peter Kirshner war ein vorsichtiger Mann.
»Pack den Stier bei den Hörnern, wenn du nicht weiterweißt«, hatte einer ihrer Kollegen in Chicago gerne gesagt. Ein leichtsinniger Vorschlag, besonders für einen Detective, der allein unterwegs war, aber genau das würde sie jetzt tun. Sie würde sich diesen Stephen Hamilton zur Brust nehmen.
Entschlossen stieg sie zum Eingang der Villa empor. Sie klopfte, ebenfalls zweimal lang und zweimal kurz, und wartete neben der Tür, um einem möglichen Gegner keine Angriffsfläche zu bieten. In Chicago war sie einmal nur knapp einer Kugel entgangen. Ein Drogendealer hatte durch die Wohnungstür auf sie geschossen.
»Das muss Buddy sein«, hörte sie eine männliche Stimme. Feste Schritte erklangen und ein Mann öffnete die Tür. Er war mittelgroß und schlank und trug seine Haare sauber gescheitelt. »Hey, Buddy …« Er stutzte und sah Jenn erschrocken an. Ihr Anblick schien ihn so zu schockieren, dass alles Blut aus seinem Gesicht wich. »Oh … ich dachte … ich hatte einen Bekannten erwartet. Sorry, ich …«
»Savannah Police, Detective Jennifer McAvoy.« Sie zeigte ihm ihre Marke und ließ sie gleich wieder verschwinden. »Ich würde gern mit Stephen Hamilton sprechen.« Kurze Pause. »Der Mann, den Sie vor ein paar Minuten in Ihr Haus gelassen haben.«
»Oh!« Er war immer noch verwirrt. »Der Taxifahrer. Sie meinen den Taxifahrer. Woher wissen Sie … ich meine … hat er denn was verbrochen?«
Jenn überhörte die Frage. »Sind Sie mit ihm befreundet? Kennen Sie ihn näher? Er ist schon eine Weile hier.«
»Ja … das heißt nein. Ich bin schon öfter mit ihm gefahren. Ich nehme meistens ein Taxi, wenn ich abends ausgehe, dann kann ich auch mal ein Gläschen mehr trinken, ohne dass mich Ihre Kollegen gleich einsperren.«
»Ich ermittle nur in Mordsachen«, erwiderte sie. In Gedanken amüsierte sie sich über seine entsetzte Miene. Sie brachte Verdächtige gern aus der Fassung. In ihrer Verwirrung verloren sie manchmal die Kontrolle und sagten mehr, als sie wollten. »Sie sind Peter Kirshner, der Immobilienmakler?«
»Ja, aber …« Kirshner war tatsächlich aus dem Gleichgewicht geraten. »Geht es etwa um die Frau, die heute Morgen ermordet wurde? Ich habe nichts damit zu tun, Detective! Ich bin ein braver und gesetzestreuer Bürger. Ich könnte keiner Fliege was antun.«
»Ich komme auch nicht Ihretwegen, Mister Kirshner. Es sei denn, Sie haben etwas zu verbergen.« Sie blickte ihn prüfend an. »Zweimal lang, zweimal kurz, was hatte das zu bedeuten? Ein geheimer Code?«
»Zweimal lang, zweimal kurz?« Er spielte den Ahnungslosen. »Ich weiß nicht, was Sie meinen, Detective.«
»Hamilton hat zweimal lang und zweimal kurz bei Ihnen geklopft. Warum hat er nicht geklingelt?« Sie drückte auf die Klingel, die tatsächlich funktionierte und unnatürlich laut in der nächtlichen Stille klang. »Hatten Sie die Klopfzeichen mit ihm abgemacht?«
Kirshner war bei ihrem Klingeln zusammengezuckt, hatte sich aber schon wieder gefangen. »Nein, warum auch? Ist wohl eine Macke von ihm.«
Sie glaubte ihm nicht, hatte aber keine Handhabe gegen ihn. »Wollte Hamilton Sie nicht abholen?«
»Abholen?« Er schien verwirrt.
»Ein Taxi ruft man normalerweise, um irgendwo hinzufahren. Darf ich fragen, wohin die Fahrt gehen sollte?«
»Ich wüsste nicht,
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