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Ghost Street

Ghost Street

Titel: Ghost Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Ericson
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nicht die Fassung zu verlieren. In Florida, keine Meile von der Stadt entfernt, hatte es Schlangen und Alligatoren gegeben. Beunruhigend waren nur die Dunkelheit und die Stille, die sie in dem scheinbar endlosen Gang umgaben. Gab es denn keinen Ausgang?
    Sie umklammerte die Taschenlampe wie einen rettenden Anker. Nur nicht fallen lassen und im Schmutz und zwischen den Ratten danach suchen müssen! Immer tiefer drang sie in den Geheimgang vor. Die geheimnisvollen Geräusche kehrten nicht zurück, nur das Scharren ihrer Crocs war zu hören. Und ihr Herzschlag, der immer lauter und heftiger wurde. In diesen Gang führte keine der Geistertouren, die einige Veranstalter in Savannah für Touristen durchführten.
    Das Ende des Ganges kam so plötzlich, dass Alessa beinahe gegen die Wand aus fester Erde gelaufen wäre. Weiter hatten die Südstaatler damals nicht gegraben. Sie blieb stehen und ließ den Lichtkegel ihrer Taschenlampe über die Wände wandern. Gab es überhaupt einen Ausgang? Oder war der Gang längst eingebrochen und versperrte jeden Weg ins Freie, den es einmal gegeben haben mochte?
    Auf dem Boden lag eine kleine Leiter, vielleicht ein paar Jahre alt, aber immer noch stabil genug, um benutzt zu werden. Anscheinend war einer der früheren Mieter schon einmal hier unten gewesen. Eine Leiter bedeutete aberauch, dass der Ausgang oben liegen musste. Sie leuchtete an die Decke und entdeckte eine hölzerne Falltür, die mit zwei Riegeln gegen unerwünschtes Eindringen gesichert war.
    Mit der Taschenlampe im Mund lehnte sie die Leiter an die Wand und stieg vorsichtig drei Sprossen nach oben. Sie brauchte einige Zeit und musste ihre ganze Kraft aufwenden, um die Riegel zurückzuschieben. Noch anstrengender war es, die Falltür nach außen zu drücken. Erst beim vierten Versuch klappte es. Die Tür schwang knarrend nach oben und ein Schwall loser Erde und kleiner Steine rieselte auf Alessa herab. Die Taschenlampe fiel zu Boden. Sie hob schützend beide Arme über ihren Kopf, doch die Erde ergoss sich über ihre Hände und Arme und drang bis weit unter den Kragen ihres T-Shirts.
    Nachdem der Schwall verebbt war, befreite sie sich prustend von dem gröbsten Schmutz. Mit den Handrücken rieb sie sich die Erde aus den Augen und vom Gesicht. Sie hustete und spuckte, bis sie einigermaßen frei atmen konnte, kletterte weiter nach oben und kroch schnaufend ins Freie.
    Sie blickte sich erstaunt um. Der Ausgang des Geheimgangs lag zwischen einigen Bäumen und Büschen versteckt und war so dicht mit Erde bedeckt gewesen, dass man ihn nicht mal aus kürzester Entfernung entdeckt hätte. Sie klopfte sich noch einmal den Schmutz aus den Kleidern, verschloss die Falltür und schob Erde darauf. Dann arbeitete sie sich aus dem Dickicht, dabei stieß sie gegen einen Stein und blickte entsetzt auf das eingemeißelte Kreuz. Sie war auf dem Colonial Park Cemetery gelandet, dem alten Friedhof der Stadt.
    Die frische Luft tat ihr gut und säuberte ihre Lunge von dem Staub, den sie im Gang geschluckt hatte. Sie atmeteein paarmal tief durch und drehte sich einmal im Kreis, sah die dunklen Umrisse der Altstadtvillen und vereinzelte Lichter in den Häusern.
    Außer dem Tuten eines Frachters, der aus dem Hafen fuhr, und dem Rauschen des Windes in den weit ausladenden Eichen war kein Geräusch zu hören. Kein Klirren von Ketten, kein verzweifeltes Stöhnen oder Seufzen. Natürlich hatte sie sich alles nur eingebildet. Was auch sonst? Die Seelen der toten Sklaven waren wohl kaum aus ihren Gräbern gestiegen und durch den Geheimgang gekommen, um ihr Angst einzujagen. Warum auch? Selbst wenn es Geister gäbe, was sie natürlich nicht glaubte, hätten sie keinen Grund dazu gehabt. Sie war erst seit einem halben Jahr in Savannah und kannte die Legende vom Sklavenjäger erst seit Kurzem.
    Sie war allein auf dem Friedhof, immerhin war es schon weit nach Mitternacht, und wenn man ihrer Vermieterin glauben durfte, trieben sich um diese Zeit nur Geister auf dem Colonial Park Cemetery herum. In ihrer staubbedeckten Kleidung und mit dem verschmutzten Gesicht sah sie auch nicht viel anders aus. Wenn jetzt ein Polizist vorbeikam, würde man sie bestimmt festnehmen, und wenn sie Pech hatte, würde sie die Titelseite der Morning News zieren. »Junge Staatsanwältin als Gespenst auf dem Friedhof« – es gab schönere Schlagzeilen.
    Sie blickte nach Westen. Bis zu ihrem Haus in der Drayton Street war es nicht weit. Der Tunnel war kürzer, als es den Anschein

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