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Ghost

Titel: Ghost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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erst als ich meinen zweiten Drink intus hatte, wurde mir klar, dass die Geschichte unangenehm werden könnte. »Old Alzheimer« mochte für mich völlig bedeutungslos sein, aber Sidney Kroll war da vielleicht ganz anderer Meinung.
    Ich zog seine Karte aus der Tasche. Sidney L. Kroll von Brinkerhof Lombardi Kroll, Rechtsanwälte, M Street, Washington D.C. Ich dachte etwa zehn Minuten lang nach, ging dann zurück zum Sofa, setzte mich und wählte seine Handynummer. Er antwortete nach dem zweiten Klingeln: »Sid Kroll.«
    An seinem Tonfall erkannte ich, dass er lächelte.
    »Sidney.« Ich wollte ungezwungen klingen, deshalb sprach ich ihn mit seinem Vornamen an. »Sie werden nicht glauben, was passiert ist.«
    »Irgendwelche Typen haben mein Manuskript gestohlen, richtig?«
    Eine Augenblick lang war ich sprachlos. »Gott«, sagte ich. »Gibt’s irgendwas, was Sie nicht wissen?«
    »Was?« Sein Ton änderte sich schlagartig. »O Mann«, sagte er. »Das war ein Witz. Stimmt das etwa wirklich ? Sind Sie okay? Wo sind Sie jetzt?«
    Ich erzählte ihm, was passiert war. Er sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Das Manuskript sei völlig unwichtig. Er habe es mir nur deshalb gegeben, weil er glaubte, ich könne vielleicht ein berufliches Interesse daran haben. Er werde mir eine Kopie schicken. Was ich jetzt tun wolle ? Die Polizei verständigen? Wenn er wolle, sagte ich, würde ich Anzeige erstatten, aber was mich angehe, die Einschaltung der Polizei mache normalerweise mehr Scherereien als nötig. Ich würde es lieber als eine weitere Episode auf dem bunten Karussell des urbanen Lebens abhaken: »Immer nach dem Motto, que será, será, heute in die Luft gesprengt, morgen ausgeraubt.«
    Er war einverstanden. »Unser Treffen heute war mir wirklich ein Vergnügen. Schön, dass Sie an Bord sind. Cheerio«, sagte er, kurz bevor er auflegte, und wieder war da dieses Lächeln in seiner Stimme. Cheerio.
    Ich ging ins Bad und knöpfte mir das Hemd auf. Zwischen Bauch und Brustkorb zeichnete sich ein waagerechter blassroter Striemen ab. Er war etwa sieben, acht Zentimeter lang, etwa einen Zentimeter breit und hatte merkwürdigerweise scharfe Ränder. Das stammt nicht von Fleisch und Knochen, dachte ich. Sieht mehr nach einem Schlagring aus. Mir wurde wieder mulmig, und ich ging zurück zum Sofa.
    Kurz darauf klingelte das Telefon. Es war Rick. Er sagte, dass der Vertrag unter Dach und Fach sei. »Was ist los?«, unterbrach er sich selbst. »Du hörst dich irgendwie komisch an.«
    »Man hat mich gerade überfallen.«
    »Nein!«
    Ich erzählte ihm die Geschichte. Rick gab angemessen mitfühlende Geräusche von sich, bis er erfahren hatte, dass ich fit genug zum Arbeiten war. Daraufhin wich die Besorgnis aus seiner Stimme. So schnell er konnte, brachte er das Gespräch auf das Thema, das ihn wirklich interessierte.
    »Dann bleibt’s also dabei? Du fliegst am Sonntag in die Staaten?«
    »Klar flieg ich. Ich stehe ein bisschen unter Schock, das ist alles.«
    »Okay. Und hier gleich der nächste Schock. Für einen Monat Arbeit, an einem vermutlich schon geschriebenen Manuskript, ist Rhinehart Incorporated bereit, zweihundertfünfzigtausend Dollar zu zahlen, plus Spesen.«
    »Was?«
    Wenn ich nicht schon auf dem Sofa gesessen hätte, wäre ich draufgefallen. Es heißt, jeder Mensch habe seinen Preis. Eine Viertelmillion Dollar für vier Wochen war etwa das Zehnfache von meinem.
    »Die überweisen in den nächsten vier Wochen jede Woche fünfzigtausend Dollar«, sagte Rick. »Plus einen Bonus von fünfzigtausend, wenn du den Job pünktlich erledigst. Flugtickets und Unterkunft gehen ebenfalls aufs Haus. Und dein Name wird erwähnt.«
    »Auf der Titelseite?«
    »Jetzt mach mal ‘nen Punkt! In den Danksagungen. In der Fachpresse wird das zur Kenntnis genommen. Dafür sorge ich schon. Allerdings ist deine Mitarbeit bis dahin streng vertraulich. Bei dem Punkt waren sie sehr bestimmt.« Ich hörte sein stillvergnügtes Glucksen und stellte mir vor, wie er sich in seinem Sessel zurücklehnte. »Ach ja, mein Junge, da eröffnet sich eine ganz neue Welt für dich!«
    Wie recht er haben sollte.

DREI
    »Sollten Sie extrem schüchtern sein, oder sollte es Ihnen schwerfallen, andere Menschen in eine entspannte und selbstbewusste Stimmung zu versetzen, dann sollten Sie vielleicht die Finger vom Beruf des Ghostwriters lassen.«
    »GHOSTWRITER«
     
     
    Die Abflugzeit für American Airlines 109 von Heathrow nach Boston war Sonntagmorgen 10.30 Uhr.

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